Sie benutzen gefälschte Ausweise, schreiben ihre eigenen Gesetze und gründeten ihr eigenes Gericht. Sie nennen sich Sheriffs und gehören zum fiktiven Gerichtshof International Common Law Court of Justice Vienna (ICCJV).
Der fiktive Gerichtshof und seine Sheriffs sind international vernetzt, ihren Hauptsitz haben sie jedoch seit knapp einem Jahr in der Schweiz. In Müllheim. An der Hofstrasse 1. Im Modelhof, dem Palast Daniel Models, der gleichzeitig das Zentrum seines Staates Avalon ist. Der Thurgauer Industrielle ist Mitgründer der Schweizer Sektion des fiktiven Gerichtshofes. «Die Organisation hat lediglich Gastrecht im Modelhof», schreibt Daniel Model auf Anfrage. Sobald sie gegen die Hausregeln oder seine Souveränitätserklärung verstossen würde, verliere sie umgehend ihr Gastrecht.
Trotzdem bietet der Modelhof eine Anlaufstelle für die Umsetzung staatsfeindlicher Ideen. Zu welchen Taten die Mitglieder des fiktiven Gerichtshofes fähig sind, zeigt ein aktueller Gerichtsfall: Im niederösterreichischen Krems stehen demnächst vor dem Landesgericht acht Sheriffs. Sie sind wegen schwerer Nötigung, beharrlicher Verfolgung und Amtsmissbrauch angeklagt. Der Prozess beginnt in zwei Wochen am 15. März.
Von Sheriffs wochenlang verfolgt und bedroht
Auslöser des Verfahrens war ein Vorfall im niederösterreichischen Hollenbach im Juli 2014: Masseurin Manuela W. bekam eine Rechtsanwältin als Vormund zur Seite gestellt, um ihre monetären Angelegenheiten zu regeln. Wie die «Wiener Zeitung» schreibt, fühlte sich Frau W. von der Rechtsanwältin in ihrem «natürlichen Recht» betrogen und bat ihre Freunde aus der Staatsverweigerer-Szene um Hilfe. Diese beriefen eine fiktive Gerichtsverhandlung ein und belagerten und verfolgten daraufhin die Rechtsanwältin wochenlang.
Mit gefälschten Ausweisen tauchten die Sheriffs sogar bei dem örtlichen Polizeiposten auf, um die Beamten zur Mithilfe bei ihrer «Amtshandlung» zu bewegen und die Rechtsanwältin zwangsweise bei der «Verhandlung» des fiktiven Gerichtshofes vorzuführen. Wie das Landgericht Krems in einer Medienmitteilung schreibt, wurde die Frau von den Sheriffs wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» beim fiktiven Gericht angeklagt. Für dieses «Verbrechen» drohten sie ihr als Strafe in letzter Konsequenz gar die Exekution an.
Eine Anklage wegen «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» ging vom fiktiven Gerichtshof auch gegen Dietmar Mühlböck. Der österreichische Blogger und Rechtsextremismus-Experte schreibt schon seit Jahren ausführlich über die Sheriffs und ihren Gerichtshof.
Die fiktive Anklage wollte er nicht auf sich sitzen lassen und zeigte seinerseits Daniel Model wegen Nötigung bei der Staatsanwaltschaft Thurgau an. Die Begründung: Model sei selbst Gründungsmitglied der Schweizer Sektion des Gerichtshofes und stelle diesem seinen Palast in Müllheim als Hauptsitz zur Verfügung. Die Untersuchungen zur Anklage gegen Daniel Model laufen noch, wie Stefan Haffter, Mediensprecher der Thurgauer Staatsanwaltschaft bestätigt. Mühlböck vermutet, dass Model den fiktiven Gerichtshof mitfinanziert. «Ich leiste keine finanziellen Beiträge zugunsten des Gerichtshofes», schreibt Model.
Insgesamt sind fünf Vereine, die mit dem fiktiven Gerichtshof in Zusammenhang stehen, wie die Sheriff-Organisation oder der Geheimdienst, in Müllheim gemeldet. Wie die «Wiener Zeitung» schreibt, mischen in diesen Organisationen auch Rechtsextreme mit. Etwa Markus B. aus Schaffhausen (Name der Red. bekannt). Er postet und teilt Beiträge mit rechtsextremem Inhalt in sozialen Netzwerken wie Facebook. Er postet Reden Adolf Hitlers und teilt Links, die den Holocaust als Täuschung bezeichnen. Herr B. ist als Geschäftsleiter bei der Sheriff-Organisation im Handelsregister eingetragen.
In Österreich, wo man die Staatsverweigerer zunächst unterschätzt hat, ist der Verfassungsschutz alarmiert. Der Prozess in Krems ist der erste grosse juristische Schlag gegen sie.
Vorsichtsmassnahmen
Das Landesgericht Krems hat für die Verhandlung am 15. März besondere Massnahmen ergriffen. Denn immer wieder werden Verhandlungen gegen Staatsverweigerer durch Sympathisanten gestört. Meist filmen sie alles und stellen die Aufnahmen ins Internet. Das Gerichtsgebäude darf nur betreten, wer einen amtlichen Ausweis vorlegt. In den Verhandlungssälen sind keine Smartphones erlaubt. Es gilt ein generelles Film- und Fotografierverbot, von dem nur Medienvertreter ausgenommen sind.