Gegen Schreibtischtäter?

BernerZeitung

Kürzlich veröffentlichte Amnesty International (AI) unter dem Titel «Polizei, Justiz und Menschenrechte in der Schweiz: Anliegen und Empfehlungen von Amnesty International» einen Bericht. Drei Jahre lang habe die Menschenrechtsorganisation die Polizeipraktiken in unserem Land untersucht. Selbstverständlich ist, dass sich unsere Polizei rechtmässig verhalten muss. Trotzdem traute ich meinen Augen nicht, denn die Anschuldigungen sind mehr als happig: Polizistinnen und Polizisten würden rassistisch handeln und ihre Macht missbrauchen ? ja sogar Misshandlungen und Folter würden vorkommen. Schwarze, Asylbewerber, Globalisierungsgegner, Fussballfans und Jugendliche seien dabei überdurchschnittlich betroffen.

Dabei analysierte AI 30 Fälle in drei Jahren ? oder 10 Fälle pro Jahr! Täglich stehen bei uns aber 16000 aktive Polizistinnen und Polizisten im Dienst und leisten zwei oder drei Einsätze. Über den Daumen gerechnet wird also pro Tag bis zu 40000 Mal eingegriffen, womit sich schon die Frage nach der Repräsentanz des Berichtes stellt. AI geht zudem anscheinend von einer Schuldvermutung ? üblicherweise gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung ? aus. Meines Wissens wurde die Polizei in diese Abklärungen nicht miteinbezogen. Zumindest unser Korps oder ich als Mitglied der vorgesetzten Behörde wissen nichts davon!

Die Anschuldigungen sind nicht nur unfair und unverhältnismässig, sondern auch sachlich unbegründet. Die Polizei ist der Prügelknabe zwischen den Fronten: auf der einen Seite die lieben Wohlstands-Wunderkinder als Demonstranten oder Wochenendsäufer ? auf der anderen Seite solche AI-Schreibtischtäter, welche vorgeben, es stehe mit unserer Polizei schlimmer als in einer Bananenrepublik.

Das Gegenteil trifft zu! Fast täglich werden Polizistinnen und Polizisten im Dienst verletzt und halten den Kopf hin, wenn andere schon längst auf ihren Bürosesseln in Deckung gegangen sind. Sie müssen sich dem Schwarzen Block, anderen hirnlosen Krawallbrüdern und besoffenen rechtsextremen Schlägern in den Weg stellen, bei Fussball- und Eishockeyspielen den Sport vor dem Kollaps bewahren und im Strassenverkehr verletzte und getötete Menschen bergen sowie den Angehörigen die traurige Nachricht überbringen. Und dafür gibt es kein Lob, sondern «eins auf den Deckel». Dabei ergab eine Studie der Uni Zürich: «Polizisten gehören zur Hochrisikogruppe bezüglich posttraumatischer Belastungsstörungen». Die Anforderungen nehmen auch stetig zu, und es müssen dauernd Überstunden geleistet werden. Ist sich AI überhaupt bewusst, welche Langzeitschäden mit solch tendenziösen Berichten bewirkt werden?

Wir müssen deshalb als verantwortliche politische Vorgesetzte zeigen, dass wir die Polizeikorps nicht im Stich lassen. Das heisst konkret, dass beispielsweise die massiven Mehrbelastungen durch die EURO 08 usf. abgefedert werden. Die Polizei muss personell, fachlich und ausrüstungsmässig nach den drohenden Gefahren und nicht nach der jeweiligen Finanzlage ausgestattet werden.