Das Bundesgericht hebt Jürg Scherrers Verurteilung wegen Rassismus auf. Das Verfahren wird neu aufgerollt.
Maskierte Demonstranten empfingen Jürg Scherrer im Mai 2003, als er vor dem Amtsgericht Biel zur Hauptverhandlung geladen war. Doch es waren nicht die Vermummten, die Scherrer in Rage brachten, sondern Einzelrichter Beat Flückiger. Dieser hatte Scherrer nach rund zweistündiger Verhandlung wegen Verstoss gegen das Antirassismusgesetz (Art. 261 StgB) zu einer Busse von 2000 Franken verurteilt.
Gegen Kosovaren gehetzt
Ein aufgebrachter Jürg Scherrer wetterte danach vor versammelter Journalistenschar gegen dieses «politisch motivierte Urteil». Er sprach von «Gesinnungsschnüffelei» und davon, dass einem «in Zukunft auf dem Balkon, auf der Terrasse oder am Stammtisch das Maul verboten wird». Scherrer hatte im April 2001 auf der Homepage der FPS unter dem Titel «Kosovo: Der 27. Schweizer Kanton?» die «Rückschaffung sämtlicher Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglichen Frist» gefordert. Die Einwanderer aus dem Kosovo hätten «einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz».
Einzelrichter Flückiger kam zum Schluss, Scherrer habe damit alle Albaner aus dem Kosovo pauschal mit Kriminellen gleichgesetzt. Dadurch seien ethnische Minderheiten aus dem Kosovo in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt worden. Vom Berner Obergericht wurde das Urteil im November 2003 vollumfänglich bestätigt. Scherrer habe einen geschützten Personenkreis öffentlich pauschal abqualifiziert, erklärte Gerichtspräsident Fabio Righetti. Provokative Aussagen im politischen Meinungsbildungsprozess seien zwar gang und gäbe, es gebe aber Grenzen. Und diese seien hier überschritten worden. Der Durchschnittsleser habe auf Grund der Medieninformation auf der FPS-Homepage zum Schluss kommen müssen, dass alle Kosovo-Albaner kriminell seien, sagte Righetti. Jürg Scherrer zog das Urteil weiter bis vor Bundesgericht, mit der Begründung, das Antirassismusgesetz sei auf die beanstandete Medienmitteilung gar nicht anwendbar.
Bereits anlässlich der Gerichtsverhandlung hatte Scherrer beteuert, er sei «niemals der Meinung gewesen, dass alle Leute aus dem Kosovo pauschal kriminell sind. Sonst hätte ich dies nämlich genau so geschrieben.»
Freispruch für Scherrer?
Scherrers Anwalt Thomas Marfurt ist ebenfalls der Ansicht, Scherrer habe in der fraglichen Medienmitteilung «keine rassistischen Äusserungen gemacht», vielmehr habe Richter Flückiger damals «jedes einzelne Wörtchen untersucht» und dann in unzulässiger Weise «Brücken geschlagen». Da das Bundesgerichtsurteil erst im Dispositiv vorliegt, will Marfurt den höchstinstanzlichen Entscheid nicht weiter kommentieren. Kommt das Bundesgericht in seiner Begründung zum Schluss, das Antirassismusgesetz sei im vorliegenden Fall tatsächlich nicht anwendbar, kann Scherrer mit einem Freispruch rechnen. Scherrer war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Er weilt im Ausland.