Aargauer Zeitung.
Der heute in der Schweiz beheimatete Konzern tut sich mit der Aufarbeitung seiner Rolle im Dritten Reich schwer. Kühne+Nagel soll ab 1942 für die Nazis den Transport von Mobiliar aus jüdischen Wohnungen nach Deutschland organisiert haben.
Wenn Klaus-Michael Kühne etwas zu feiern hat, sperrt man in Bremen schon mal schnell den Marktplatz ab. So geschehen Anfang des Jahres, als der Logistikkonzern Kühne+Nagel am Ort der Firmengründung sein 125-jähriges Bestehen zelebrierte.
Mehrheitseigner Kühne, der Enkel des Firmengründers August Kühne, liess dafür einen weissblauen Riesen-Lastwagen anrollen, der Festakt fand in einem extra aufgebauten gläsernen Pavillon statt.
Für das Tamtam wurde der Konzern, wie auch Kühne selbst, kritisiert – doch das ist kein Vergleich zu dem, was über das in Schindellegi domizilierte Unternehmen derzeit in den deutschen Medien hereinbricht.
«Kühne und Nagel – Handlanger der Nazis?», fragte der Bayerische Rundfunk (BR) in der Sendung «Kontrovers» am Mittwoch. Auch die ARD-«Tagesthemen» berichteten. Die «Süddeutsche Zeitung» titelte am nächsten Tag: «126 Schränke, 32 Uhren und zwei Kinderwägen» – die Ladung eines Kühne+Nagel-Schiffes, das im Zweiten Weltkrieg mit geplündertem jüdischen Besitz nach Deutschland unterwegs war. Das belegt eine Liste, die der Zeitung vorliegt.
Der erfolgreiche Logistikkonzern soll an der sogenannten «Möbelaktion» der Nationalsozialisten beteiligt gewesen sein. 1942 begannen die Nazis, jüdische Wohnungen in den besetzten Teilen Westeuropas auszuräumen. Die Möbel wurden nach Deutschland gebracht – nachdem die jüdischen Bewohner in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden.
Konzern räumt Beteiligung ein
Der Konzern selbst räumt die Beteiligung an den Möbeltransporten ein. Man sei «im Auftrag der Reichsregierung mit den Transporten von beschlagnahmten Gütern politisch und rassisch Verfolgter» befasst gewesen. «Hierbei handelte es sich grösstenteils um Möbel», heisst es in einer Mitteilung vom März. Auf Anfrage wollte sich Kühne+Nagel nicht weiter dazu äussern. Die Erklärungen des Konzerns reichen einigen deutschen Medien nicht aus — sie werfen Kühne+Nagel mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung der damaligen Geschehnisse vor.
Die linksgerichtete Tageszeitung «taz» sieht in Klaus-Michael Kühne persönlich den Blockierer in der Aufarbeitung. Er halte die Firmengeschichte bewusst unter Verschluss, um die Nazi-Verstrickungen seiner eigenen Familie nicht vollständig öffentlich machen zu müssen.
Auch die Tragweite der Beteiligung an der Möbelaktion finde zu wenig Beachtung. Schliesslich habe Kühne+Nagel quasi das Monopol innegehabt. Und der Historiker Jaromir Balcar vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte sagt, es sei unwahrscheinlich, dass Speditionen zur Kooperation gezwungen wurden. Kühne+Nagel habe stattdessen prächtig daran verdient.