Die Geschichte der abgesagten Kundgebungen in der Stadt Bern wiederholt sich. Wie schon die geplante «Stopp Kuscheljustiz»-Demonstration im Jahr 2014 bleibt auch die diesjährige Demonstration gegen die Umsetzung der Initiative «Gegen Masseneinwanderung» (MEI) nur ein gross angekündigtes Vorhaben. Der Verein Brennpunkt Schweiz hat die für den 18. März geplante Kundgebung abgesagt («Bund» von gestern). Und genauso wie vor drei Jahren akzeptieren auch dieses Mal viele Anhänger diese Entscheidung nicht.
«Niemand kann mich hindern»
Auf der Facebook-Seite von Brennpunkt Schweiz wird fleissig geschimpft und kritisiert. «Das Komitee macht sich vor Angst in die Hosen», lautet eine der ersten Reaktionen auf die Absage. Es sei das Ende der direkten Demokratie, der freien Meinungsäusserung. Viele wollen sich mit der Absage nicht zufriedengeben und am übernächsten Samstag trotzdem auf dem Bundesplatz erscheinen. Ein User schreibt: «Es kann mich niemand hindern, am 18. 3. nach Bern zu reisen und in Bern zu verweilen.» Ein anderer ruft deutlich zum Protest auf: «Wir sollten uns jetzt eben genau erst recht in Bern versammeln – wir lassen uns unser Recht auf Demonstrationsfreiheit nicht nehmen!»
Solche Aufrufe nahm die Kantonspolizei vor drei Jahren sehr ernst und bot deshalb 1200 Polizisten auf, welche die komplette Innenstadt absperrten – für den Fall der Fälle. Man wollte auf jeden Fall ein Szenario wie bei der SVP-Demonstration von 2007 vermeiden, welche wegen ausschweifender Ausschreitungen als «Schande von Bern» in die Geschichte einging.
Mit welchem Szenario rechnet die Berner Kantonspolizei in zwei Wochen? Ist die Stadtregierung vorbereitet? Laut Polizeisprecher Christoph Gnägi seien die «sicherheitspolizeilichen Arbeiten» durch den Entscheid, die Kundgebung abzusagen, nicht eingestellt worden. Es gelte nun, die Situation und deren Entwicklung laufend zu beurteilen. Auch der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sagt auf Anfrage, man habe es «auf dem Radar», dass es zu solchen Aufrufen komme. Dass trotzdem Demonstranten nach Bern kommen könnten, sei ein mögliches Szenario. Man werde sich «entsprechend» vorbereiten. «Die Lage wurde durch die Absage nicht übersichtlicher», sagt Nause.
Druck war zu hoch
Denn auch linke Gruppierungen wollen nicht ausschliessen, am 18. März ebenfalls zu demonstrieren. Ginge es nach der Berner Stadträtin Christa Ammann von der Alternativen Linken (AL), dürfte es ruhig eine Gegenaktion geben: «Ich finde es richtig und wichtig, sich gegen diese politische Haltung zu äussern.» Auch wenn die Gegenseite entschieden habe, die Kundgebung nicht durchzuführen, habe sich deren Denkweise nicht geändert. «Das sollte man kritisieren.»
Die Absage begründeten die Organisatoren der MEI-Demo mit Sicherheitsbedenken. Linksautonomen Kreise riefen dazu auf, die Veranstaltung mit Gewalt zu verhindern. Die Ausschreitungen im Zuge der Räumung eines besetzten Hauses in Bern nährten zusätzlich die Angst vor Scharmützeln. Sowohl die SVP wie auch das Organisationskomitee der MEI-Demonstration äusserten denn auch Zweifel an der Kompetenz der Stadtregierung, für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen zu können. Die linke Stadtregierung sei «nicht in der Lage, Recht und Ordnung durchzusetzen», hiess es in einer Medienmitteilung der SVP. Diesem Vorwurf widersprach Sicherheitsdirektor Nause. Er ist davon überzeugt, dass die Sicherheit hätte gewährleistet werden können.
Eine Rolle dürfte aber auch die Angst vor Imageverlust der SVP-Spitze gespielt haben. So hagelte es im Vorfeld viel Kritik, insbesondere weil rechtsextreme Gruppen an der Kundgebung teilnehmen wollten.