Die Aargauer Polizei geht mit verschärften Massnahmen gegen Rechtsextremismus vorFranziska Laur
In letzter Zeit machen Neonazis wieder mit unangenehmen Aktionen von sich reden. So wird ein Fricktaler Kritiker von ihnen virtuell erschossen und im Internet bedroht. Die Aargauer Kantonspolizei überwacht seither seinen Wohnort.
Sie tauchen an Vereinsfesten auf, patrouillieren in Dörfern oder sitzen in einschlägigen Bars: glatzköpfige, junge Männer in Kampfjacken. Sie verkünden ihr abstruses Weltbild von einer Schweiz, in der die Ausländer schuld an Arbeitsplatzmangel sind, und von einem Dritten Reich, in dem sehr viel Gutes geschehen sei. Oder verprügeln gar Linke, Ausländer und Kritiker.
Die Aargauer Polizei geht mittlerweile entschieden gegen Rechtsextreme und Neonazis vor. So erhöhte sie die Präsenz in den vergangenen zwei Wochen rund um Frick, weil der Neonazi-Kritiker Heinz Kaiser im Internet bedroht worden war. Der Fricker exponiert sich in seinem eifrigen Kampf gegen Rechtsextremismus sehr und verliert dabei zeitweise die Distanz. Jetzt wird er massiv attackiert – vorerst virtuell: Im Video erschiessen die Neonazis ihn und weitere Kritiker und verkünden, Heinz Kaiser einen Besuch abzustatten.
Fachleute suchen nun vermehrt Kontakt mit jungen Rechtsextremen. Samuel Althof, Sprecher der Organisation Kinder des Holocaust, arbeitet im Rahmen von Präventionsprojekten oft mit ihnen. Er erlebt sie als noch sehr haltlos in ihrer Gesinnung: «Es knallt da und dort, doch man kann nicht von programmatisch vernetzter Gewaltanwendung sprechen», sagt er. Wie auch die Aargauer Polizei bestätigt, sind unter den 500 registrierten Rechtsextremen etwa 400 Mitläufer, rund hundert gehören zum harten Kern.
ARBEIT MIT DER SZENE. In der Präventionsarbeit mit symptomatischen Rechtsextremen sei eine akzeptierende Grundhaltung Voraussetzung und der Respekt vor der persönlichen Integrität jedes Einzelnen wichtig, so Althof. Es sei eine grosse Belastung für die ganze Familie, ein Mitglied zu haben, das sich extremistisch betätige. Diese Problematik anzugehen fordere viel Mut und Kraft von allen Beteiligten. «Gerade rechtsorientierte Jugendliche jedoch sollten nicht aus der Familie oder Gesellschaft ausgegrenzt werden», betont Althof. Damit würde man sie in ihrer Grunderfahrung, die meistens auf Ausgrenzung basiere, bestätigen.
Auch Elisabeth Miruch von der Fachstelle für Persönlichkeitsberatung in Rheinfelden arbeitet regelmässig mit rechtsextremen Jugendlichen. In den betroffenen Familien gebe es oft Schicksalsschläge, die nicht aufgearbeitet oder gar tabuisiert seien. «Ein Heilversprechen gibt es nicht, doch ist viel erreicht, wenn die Eltern lernen, sich abzugrenzen und mit der Thematik umzugehen.» Sie erlebt die jungen Rechtsextremen als Suchende, die sich in der Gruppe beschützt fühlen und dort etwas darstellen.
Das ist eine Erfahrung, die auch die Mutter eine jungen Mannes aus dem oberen Fricktal gemacht hat, der einige Jahre in der Szene verkehrte. «Die Stärke dieser Gruppen ist die absolute Solidarität untereinander.» Hitlerverehrung, Naziparolen und Gewalt prägten den Alltag, als ihr Sohn mittendrin steckte. «Das macht Angst», sagt sie. Die neue Freundin des Sohnes half ihm dann beim Ausstieg. Dies sei allerdings nicht so einfach gegangen. Die Mutter verweist etwas bitter auf die Drahtzieher, die ideologischen Köpfe. «Doch die erwischt man ja nicht.»
Drahtzieher. Spätestens seit der Chefideologe und Verherrlicher von rassistischem Gedankengut, Bernhard Schaub, vergangenen April mit rund 80 Rechtsextremen in Aarau auftrat und eine Hetzrede hielt, ist die Aargauer Polizei auch diesbezüglich gewarnt.
Die Pnos (Partei national orientierter Schweizer) hat ihren Sitz in Aargau. Auch der Neonaziversand White-Revolution von Sacha Kunz wird von Erlinsbach aus betrieben. «Diese programmatischen, teilweise kriminellen Neonazis und Holocaust-Leugner können nur mit allen möglichen politischen und juristischen Mitteln wirksam bekämpft werden», weiss Samuel Althof.
500 Rechtsextreme im Aargau registriert
REPRESSION. Gestern informierte die Aargauer Kantonspolizei, dass im Aargau die relativ hohe Zahl von rund 500 Personen registriert sei, die in der rechtsextremen Szene in den letzten zehn Jahren ein oder mehrere Male in Erscheinung getreten sind. Das durchschnittliche Alter liege zwischen 15 und 22 Jahren. Die hohe Zahl sei unter anderem durch die Grösse und die ländliche Struktur des Kantons begründet. Die präventive und repressive Intervention der Kantonspolizei gegen Auftritte von Neonazis werde erhöht. Polizeikommandant Léon Borer: «Vorkommnisse wie in Zuzgen dürfen sich nicht wiederholen.» Im Fricktal griffen letzten Sommer sechs Skinheads einen Jugendlichen an und verletzten den am Boden Liegenden mit Fusstritten.