Der Bund; 26.03.2013
In Oskar Freysingers Haus hängt die deutsche Reichskriegsflagge. Er habe nicht gewusst, dass diese vor allem von Neonazis verwendet werde, sagt der neu gewählte Walliser SVP-Regierungsrat.
Daniel Foppa
Sie war die offizielle Kriegsflagge der Streitkräfte des Deutschen Reichs von 1871 bis 1918. Heute ist sie ein Symbol der Neonazis: die schwarz-weiss-rote Reichskriegsflagge mit Eisernem Kreuz und Reichsadler. Wie die Sendung «Reporter» des Schweizer Fernsehens am Sonntagabend zeigte, hängt diese Flagge im Keller des Hauses von SVP-Nationalrat Oskar Freysinger, der gestern als Walliser Regierungsrat vereidigt worden ist. «Ich habe die Flagge vor etwa 15 Jahren beim Besuch einer U-Boot-Ausstellung in Lübeck gekauft», sagt Freysinger auf Anfrage. Ihm haben die Farben und die Symbole gefallen: «Das ist ein dekoratives Element, das ich nicht mit einer Ideologie in Verbindung bringe.»
Die Reichskriegsflagge wurde im Deutschen Reich auch zu Propagandazwecken verwendet. Eines der bekanntesten Propagandabilder des Ersten Weltkriegs zeigt einen Matrosen, der auf einem sinkenden Schiff die Reichskriegsflagge hochhält. Nach dem Ersten Weltkrieg benutzten reaktionäre Freikorps und nationalsozialistische Stosstrupps die Flagge, bis sie 1935 durch die Hakenkreuzflagge abgelöst wurde. Noch bis 1945 wurde die Reichskriegsflagge auf den Kriegsschiffen von Hitlers Marine zu Zeremonienzwecken gehisst.
Rechtsextreme Gesinnung
Da die Reichskriegsflagge im Gegensatz zur Hakenkreuzflagge in Deutschland bis heute nicht verboten wurde, fand sie nach 1945 oft in Vereinigungen ehemaliger Nationalsozialisten Verwendung. Heute ist sie vor allem unter Neonazis stark verbreitet. «Die Reichskriegsflagge wird in Kreisen gezeigt, die damit ihrer rechtsextremen Gesinnung Ausdruck geben wollen», sagt Sven Lüken vom Deutschen Historischen Museum in Berlin.
Auch in der Schweiz taucht die Reichskriegsflagge bei Veranstaltungen von Rechtsextremen auf. 2007 hissten Neonazis die Flagge während eines Spiels zwischen dem FC Zürich und Basel vor dem Basler Fanblock. Der Europäische Fussballverband (Uefa) verurteilte den Vorfall, und der Schweizer Fussballverband wies die Sicherheitsverantwortlichen der Clubs an, solche Fahnen künftig umgehend zu konfiszieren. Den Trägern droht landesweit Stadionverbot.Freysinger, der als Gymnasiallehrer Deutsch unterrichtet und wohl Walliser Bildungsdirektor wird, sagt, er habe von all dem nichts gewusst: «Ich habe die Flagge aus rein ästhetischen Überlegungen gekauft; ich fand sie irgendwie schön.» Mit rechtsextremen Ideologien habe er nichts am Hut, er sei absoluter Demokrat. Zudem gehe es niemanden etwas an, was bei ihm zu Hause für eine Flagge hänge.Ronnie Bernheim, Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, zeigt sich auf Anfrage «bestürzt» darüber, dass bei einem Schweizer Regierungs- und Nationalrat die Reichskriegsflagge hängt: «Oskar Freysinger sollte als Politiker und Lehrer eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Wie kann er da eine Flagge aufhängen, unter der schlimmste Menschenrechtsverletzungen begangen wurden?» Wenn Freysinger ein TV-Team bei sich zu Hause empfange und die Flagge filmen lasse, sei dies nicht mehr nur seine Privatsache: «Damit setzt Freysinger ein öffentliches Zeichen und erfreut – auch wenn ungewollt – Neonazis.» Freysinger selbst gibt sich unbeeindruckt: «Die Fahne ist nicht verboten. Sie bleibt hängen.»