Weder Verleumdung noch üble Nachrede
brh. Im Oktober 2002 hatte der «Blick» über einen jungen Berner berichtet, der eine am äussersten rechten Rand anzusiedelnde Partei namens «Nationale Partei Schweiz» (NPS) gegründet hatte und beabsichtigte, an den Nationalratswahlen teilzunehmen. Der Parteigründer sei ein Rechtsextremer, arbeite für den Staatsschutz und erhalte für seine Weitergabe von Informationen auch Entgelt, heisst es weiter im Artikel. Gegen diese Äusserungen wehrte sich der betroffene Mann und reichte eine Privatstrafklage wegen übler Nachrede und Verleumdung ein. Der Kläger will weder Rechtsextremer genannt werden noch für den Staatsschutz tätig gewesen sein.
Das Bezirksgericht Zürich hat nun am Montag den angeklagten «Blick»-Journalisten freigesprochen. Wenn es wie im zu beurteilenden Fall um eine politische Auseinandersetzung gehe, sei eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung nur zurückhaltend anzunehmen. Ausserdem sei es für den durchschnittlichen «Blick»-Leser grundsätzlich nicht ehrenrührig, wenn jemand als Rechtsextremer bezeichnet werde, da dieser Begriff eine Einordnung in das Parteienspektrum bedeute. Ein rechtsextremer Mensch müsse für den durchschnittlichen «Blick»-Leser nicht zwingend ein charakterlich unanständiger Mensch sein. Anders hätte die Frage entschieden werden müssen, so die Gerichtsvorsitzende in der kurzen mündlichen Urteilsbegründung, wenn der Rechtsextreme in Zusammenhang mit dem Nazi-Regime gestellt worden wäre, was im inkriminierten Artikel nicht der Fall war.
Hingegen stuften es die Bezirksrichter als ehrenrührig ein, wenn ein Rechtsextremer beschuldigt wird, gegen Entgelt für den Staatsschutz zu arbeiten und damit Kameradenverrat gegenüber seinen Gesinnungsgenossen zu begehen, dies wiederum im Blickwinkel des durchschnittlichen «Blick»-Lesers betrachtet. Somit hätte sich der Journalist bezüglich dieser Äusserung der üblen Nachrede schuldig gemacht, wäre ihm der Entlastungsbeweis nicht gelungen, der eine Art von Rechtfertigungsgrund darstellt und zum Freispruch führt. Die Gerichtsmehrheit war zur Auffassung gelangt, der Journalist habe seine Behauptung guten Glaubens für wahr halten und publizieren dürfen, da sie von einem Zeugen bestätigt wurde. Der Journalist gab an, von mehreren Quellen über die Tätigkeit des Rechtsextremen für den Staatsschutz informiert worden zu sein, er wollte seine Quellen jedoch nicht preisgeben, mit Ausnahme des einen Informanten, der sich bereit erklärt hatte, im Strafverfahren als Zeuge auszusagen.
Für die Arbeit von Medienschaffenden unerfreulich ist die Auffassung des Bezirksgerichts, ein angeklagter Journalist dürfe sich nicht auf den Quellenschutz berufen, der in Art. 27bis StGB geregelt wird. Der Quellenschutz diene dazu, den Journalisten als Zeugen zu schützen, nicht jedoch als Angeklagten. Hier dürfe er sich höchstens auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen – was ihm wenig nützt, wenn er im Ehrverletzungsprozess den Entlastungsbeweis zu erbringen hat. Der Quellenschutz lässt sich demnach leicht aushebeln: indem man gegen einen missliebigen Journalisten ein Strafverfahren einleitet und diesen in die Rolle des Angeklagten zwingt.