Basler Zeitung vom 12.08.2010
Lokale und nationale Politiker gehen auf Facebook Pakte mit Rechtsradikalen ein.
Muriel Gnehm, Markus Prazeller
Wahlpropaganda auf Facebook ist beliebt: Trotzdem sollten die Politiker bei der Auswahl ihrer Freunde vorsichtig sein. FDP-Grossrat Roland Vögtli und der Zürcher FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger gehören zu den Gehörnten. «Politisieren ohne Facebook ist heute nicht mehr möglich», sagt Jörg Astheimer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaft der Uni Basel. Die Internetplattform dient Politikern dazu, ihre Anhängerschaft zu vergrössern, ihre Ideen zu verbreiten und dadurch politische Macht zu gewinnen. So praktisch dies auf den ersten Blick scheint, so schnell können Politiker in ein Fettnäpfchen treten – und gemäss Politologe Mark Balsiger «mit unbedarften Äusserungen oder Mitgliedschaften in dubiosen Gruppen ihr Image nachhaltig beschädigen.»
Ein Beispiel für den unvorsichtigen Umgang mit Facebook ist der Basler FDP-Grossrat Roland Vögtli, der den Besucher mit einem Grinsen auf seiner Seite empfängt. Der Interessierte erfährt, auch ohne ein Facebook-Freund von Vögtli zu sein, dass der Grossrat einen Rolls-Royce Silver Shadow fährt. Zudem verrät Vögtli: «Ich trinke gerne, ich rauche gerne und liebe Sex … na und??» Natürlich finden sich auf seinem Profil auch Informationen zu seinen politischen Ideen: Er fordert, dass im Schulunterricht wieder Mundart gesprochen werden darf.
Ausserdem ist Vögtli der Gruppe «Nein zum Ausländerstimmrecht im Kanton Basel-Stadt» beigetreten. Als Administratoren der Gruppe fungieren Michael Herrmann, Präsident der Basler Sektion der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) und sein Vorgänger Philippe Eglin. Dieser wurde vor Kurzem vom Basler Strafgericht wegen des Verstosses gegen die Antirassismusstrafnorm verurteilt. Er hatte die Echtheit der Anne-Frank-Tagebücher infrage gestellt. Roland Vögtli war für die BaZ gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In der Pnos-Gruppe finden sich auch andere Politiker wie beispielsweise die Luzerner SVP-Nationalrätin Yvette Estermann.
Es ist nicht das erste Mal, dass bekannte Politiker im Internet für die Zwecke Rechtsradikaler missbraucht werden. 2009 machte SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli Schlagzeilen, weil Pnos-Mitglieder wie etwa Eglin zu seinen «Freunden» zählten. Auch FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger wurde auf Facebook Opfer eines rechtsradikalen Politikers: In seiner «Freundesliste» figuriert Stefan Schmalnauer. Er ist Bundeskassier der österreichischen, rechtsradikalen Nationalen Volkspartei, auf deren Website steht: «Europa ist die Heimat des europiden Menschen.»
Nicht für Alle
Trotz dieser Gefahren empfiehlt Astheimer jedem Politiker, sich auf Facebook zu registrieren. Der Experte mahnt aber: «Ein Politiker sollte die Privatsphäre-Einstellungen seines Profils so wählen, dass nicht jedermann alles sehen kann.» So sollte zwischen Bekannten und Fans unterschieden werden und manche Inhalte sollten nur für Erstere einsehbar sein.
Zur politischen Kommunikation ist die Eröffnung einer Fan-Seite die sicherere Version: «Im Gegensatz zu einer Freundschaftsbeziehung ist eine Fanbeziehung einseitig», sagt Astheimer. So müsse der Politiker nicht entscheiden, ob er einen Fan annehme oder ignoriere. Der Experte erachtet es als «unmöglich», vor der Annahme jeder Freundschaftsanfrage die jeweilige Person im Netz auf ihre Machenschaften hin zu überprüfen. Demnach gilt die Regel «Privates und Berufliches zu trennen» auch in der virtuellen Welt.