Exemplarischer Prozess gegen zwei Holocaust-Leugner

BaslerZeitung

Von Thomas Gerber


Zwei Ewiggestrige müssen sich heute Donnerstag vor dem Bezirksgericht Baden (AG) für ihre Taten verantworten. Dem Basler Holocaust-Leugner Jürgen Graf droht eine unbedingte Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Der deutsche Verleger Gerhard Förster mit Wohnsitz im Aargau soll für 16 Monate unbedingt ins Gefängnis.

Baden. Ein Vorwurf der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau zieht sich wie ein roter Faden durch die sieben Anklageschriften gegen die beiden Holocaust-Leugner. Sie hätten «öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind», steht in den vor Prozessbeginn veröffentlichten Anklageschriften. Das Bezirksgericht Baden tagt wegen des grossen Medieninteresses nicht wie üblich im Bezirksgebäude, sondern in einem anderen Saal. Die Medienvertreter mussten sich vorgängig schriftlich anmelden und eine Ausweiskopie abliefern.

Der 47jährige Jürgen Graf, ehemaliger Lehrer in Baselland, ist der Autor von 280 Seiten dicken Büchern mit Titeln wie «Auschwitz – Tätergeständnisse» und «Augenzeugen des Holocaust». Durch «pseudowissenschaftliche Kommentierungen versucht der Angeklagte offensichtlich, dem Leser zu suggerieren, Massenvernichtungslager mit Gaskammern zur Menschenvernichtung von fünf bis sechs Millionen Menschen habe es nicht gegeben», hält die Staatsanwaltschaft fest. Sie listet viele einschlägige Zitate auf.

«Unwissenschaftlich»

Es handle sich «in keiner Art und Weise um das Ergebnis einer Arbeit, die das Prädikat einer wissenschaftlichen Abhandlung verdient». Vielmehr liege ein Werk vor, «das unter dem Deckmantel der «wissenschaftlichen Forschung» einzig und allein das revisionistische Ziel verfolge, den sogenannten Holocaust zu leugnen beziehungsweise zu verharmlosen und damit letztlich antisemitisches Gedankengut zu streuen».
Die Aargauer Staatsanwaltschaft wirft dem Autor von vier Büchern in elf Fällen Verletzung der Antirassismus-Strafnorm sowie Nötigung vor. Denn Graf versandte rund 80 Exemplare seiner Schriftstücke ungefragt an Empfänger in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Graf ist von seinem Gedankengut so überzeugt, dass er einen Artikel den Historischen Fakultäten der Universitäten Basel, Bern und Zürich zuschickte.
Der Angeklagte muss sich wegen Nötigung gemäss Strafgesetzbuch verantworten, weil er den Fakultäten drohte, wenn sie nicht auf seinen Text antworteten, würde er in einer einschlägigen Zeitschrift berichten, «dass die Historischen Fakultäten der deutschsprachigen Schweiz keine inhaltlichen Beanstandungen am Artikel vorzubringen hatten».

Texte im Internet

Graf verbreitete zwei Texte weltweit über das Internet. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft wählte der Angeklagte für die Einspeisung der Texte Kanada und Schweden, «in der Meinung, er könne sich so der schweizerischen Gerichtsbarkeit entziehen». In der Schweiz befinde sich «jedoch sehr wohl ein rechtlich relevanter Ausführungsort», betonen die Ankläger.
Die Aargauer Staatsanwaltschaft stellt als Strafanträge 18 Monate Gefängnis unbedingt und eine Busse von 27’700 Franken. Die beschlagnahmten Bücher, Texte und das Werbematerial sollen eingezogen werden. Ferner soll Graf die Einnahmen aus dem Bücherverkauf, die noch nicht festgesetzt sind, dem Staat abliefern.

Deutscher Verleger

Exemplarischen Charakter kommt auch dem gleichzeitigen Prozess vor dem Bezirksgericht Baden gegen den 78jährigen Gerhard Förster zu. Der deutsche Staatsbürger mit Wohnsitz in Würenlos (AG), diplomierter Ingenieur, publizierte in seinem Verlag «Neue Visionen GmbH» die Bücher von Graf. Die Anklagepunkte und Beweise sind über weite Strecken die gleichen wie gegen Graf.
Förster gab gemäss Anklageschrift dem Basler Autor jedoch den Auftrag, ein Buch zu verfassen. Förster schrieb auch Vorworte. Die Bücher wurden in Auflagen von bis zu 1000 Exemplaren (Verkaufspreis jeweils rund 35 Franken) gedruckt. Förster versandte ebenfalls Bücher an unbekannte Empfänger und warb mit Prospektmaterial. Das Bezirksgericht soll Förster wegen Rassendiskriminierung zu einer Strafe von 16 Monaten Gefängnis unbedingt und einer Busse von 22’200 Franken verurteilen, lautet der Antrag der Staatsanwaltschaft.

Prozess verschleppt

Die Aargauer Justiz hat sich bisher schwer mit den beiden Holocaust-Leugnern getan. Der zuständige Präsident des Badener Bezirksgerichtes, Guido Näf, sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, den Prozess zu verschleppen. Er setzte keinen Termin für die Verhandlungen fest. Mitte Februar zog die Inspektionskommission des Obergerichtes in Aarau die Konsequenz: Die Kommission entzog Näf das Verfahren – wegen «unhaltbarer Verfahrensverzögerung». Denn die erste Anklageschrift gegen die beiden Ewiggestrigen ist bereits im April 1996 auf dem Tisch des Bezirksgerichtes gelegen.