Aargauer Zeitung. Nach der weltweiten Empörung über ein Plakat in Arosa, das jüdische Gäste zum Duschen aufforderte, ziehen die örtlichen Touristiker Bilanz.
Pascal Jenny war Anfang der Woche ein besonders gefragter Mann. «Am Dienstag hat das Telefon dauergeläutet», sagt der Tourismusdirektor von Arosa. Gleichentags erhielt er über hundert persönliche E-Mails zum gleichen Thema: ein Plakat im Hallenbad des Aroser Aparthotels «Paradies», das jüdische Gäste anhielt, vor dem Benützen des Hallenbades zu duschen. Ein Plakat, das zu teils heftigen Reaktionen aus aller Welt führte (Ausgabe von gestern).
Die Mehrheit seiner persönlichen Rückmeldungen sei positiv, sagt Jenny: Man anerkenne, dass sich die Tourismusdestination und das Aparthotel umgehend für den Aushang entschuldigt und das Missverständnis aufgeklärt hätten. Und, betont Jenny, gerade jüdische Gäste hätten zum Ausdruck gebracht, dass sie sich in Arosa stets willkommen fühlten. Bei den negativen Meldungen sei der Ton aber «zum Teil sehr aggressiv» gewesen.
Jenny will nichts beschönigen und kann die Empörung über das Hinweisplakat auch «absolut nachvollziehen». Wegen einer allgemeinen Regelung eine spezifische Gästegruppe anzusprechen, gehe schlicht nicht an. Und das dürfe auch nicht wieder vorkommen, betont der Tourismusdirektor.
Man habe auch umgehend gehandelt, sagt Jenny. Das nächste der regelmässigen Treffen von touristischen Leistungsträgern der Region soll nun dem «interkulturellen Verhalten» gewidmet sein. Nebst dem Umgang mit jüdischen Gästen soll auch jener mit Gäste aus Asien, Grossbritannien und Deutschland thematisiert werden. Es geht darum, die spezifischen Bedürfnisse dieser verschiedenen Gästegruppen zu kennen und darauf vorbereitet zu sein, erklärt Jenny. Solche Fragen stellten sich immer dann, wenn eine grosse Touristengruppe an einem Ort ist: «Dann muss man aufmerksam allfällige Fragen und Missverständnisse thematisieren und die Leute sensibilisieren.»
Über 700 E-Mails an Abwartin
Noch gefragter als der Tourismusdirektor ist aber die Urheberin des Plakats, Ruth Thomann. Entsprechend schwer ist sie derzeit auch zu erreichen. «Der Telefonterror ist ein bisschen lästig», sagt die Hauswartin des Aparthotels «Paradies» – «manchmal drücke ich dann das Knöpfli.» Aus Frankreich, Italien, Israel, sogar aus den USA hätten Leute sie angerufen, manche regelrecht angeschrien, dass einem fast angst und bange werde. Über 700 Mails habe sie bisher erhalten, Mails, die teils auch «unter die Gürtellinie» gingen. Die grosse Welle sei nun aber vorüber. Nebst den mehrheitlich negativen Rückmeldungen hätten sie aber auch «nette» Meldungen erreicht, darunter auch Gäste aus Israel, die sich in Arosa und im «Paradies» stets sehr wohl gefühlt hätten.
Zum fraglichen Plakat sei es gekommen, weil sich andere Gäste und Besitzer von Eigentumswohnungen der Anlage über jüdische Gäste beschwert hätten, die dem Duschobligatorium nicht nachgekommen seien. Da alle bisherigen Hinweistafeln auf Deutsch verfasst waren, habe sie sich auf Englisch an die jüdischen Gäste gewandt, sagt Thomann. «Ich dachte, ich mache nichts Dummes, machte im ‹Gjufel› aber etwas sehr Dummes. Das passiert mir nicht mehr.»