Es war Zeit, zu gehen

Tachles.

Vor kurzem kündete die Partei National Orientierter Schweizer an, sie löse sich auf – ein Rückblick

Hans Stutz

Die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) blieb immer eine Kleinstpartei und eng verbunden mit der weitgehend verschwundenen Jugend-Subkultur der Nazi-Skinheads. Doch sie ist die erste rechtsextreme Partei, der es nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur gelang, in der Schweiz während vielen Jahren aktiv aufzutreten und vereinzelt auch Wahlerfolge zu erreichen. Ein PNOS-Vertreter sass mehrere Jahre im Gemeinderat (Exekutive) der Solothurner Gemeinde Günsberg. In der Kleinstadt Langenthal belegte die Partei zwei Wahlperioden lang einen Sitz im Gemeindeparlament. Und aktuell amtet Marius Kozisek als Gemeinderat in der Berner Gemeinde Inkwil, gewählt als Parteiloser. Er war bis zuletzt Beisitzer im PNOS-Landesvorstand. Gemäss einem Bericht der Tageszeitung «Der Bund» hat er von einem Journalisten von der Parteiauflösung erfahren.

Wie dem auch sei, die Auflösung überrascht nicht. Schon seit Monaten waren nur noch wenige Parteiaktivitäten sichtbar. Einige wenige lokale Flugblattaktionen, ein paar Meldungen auf der Parteihomepage. Auf dem Facebook-Konto Landschaftsfotos, jeweils versehen mit dem Kommentar «Hallo Heimat», Vorspiegelung von biederem Nationalismus also. Die meisten kantonalen Sektionen hatten keinen aktiven Vorstand mehr. «Marode gewordene interne Strukturen» beklagt denn auch der letzte PNOS-Vorsitzende Flo Gerber. PNOS erlitt das Schicksal politischer Neugründungen. Sie konnte Leute mobilisieren, für Parteitag, Aufmärsche, Kundgebungen, doch nur wenige Aktivisten leisteten kontinuierliche und langjährige Parteiarbeit.

Gründung kurz nach «Rütli-Schande»

Gegründet wurde die PNOS Anfang September 2000, wenige Wochen nachdem mehr als 100 Rechtsextreme, vorwiegend neonazistische Skinheads, auf der Rütliwiese die 1.-August-Ansprache von Bundesrat Kaspar Villiger (FDP) gestört hatten. Die Boulevard-Skandalisierung dieses Stilbruchs («Rütli-Schande») führte zu einer landesweiten Debatte über eine politische Bewegung, die sich an den Staatsvorstellungen rechter Diktaturen der Zwischenkriegszeit orientierten. Schweizer Bürgerliche hatten bis anhin vorgezogen, angestrengt wegzuschauen.

Sie sei die «Partei des modernen Nationalismus», behauptete PNOS damals. Doch sie zeigte bald, woher der Wind wehte. Beispielsweise, als sie sich im Kanton Aargau 2003 an den Nationalratswahlen beteiligte. «Wir säubern» stand auf dem Entwurf des Wahlplakats. Es glich bis auf kleine Details einem Plakat der Nationalen Front, der grössten nationalsozialistischen Schweizer Organisation der Zwischenkriegszeit. Ein «eiserner Besen» sollte Bonzen, Kommunisten, erkennbar an Hammer und Sichel auf den Hüten, und Juden, charakterisiert durch Hakennasen, aus dem Land fegen. Nach einem «Sonntagszeitung»-Bericht zog die PNOS den Entwurf zurück.

Ebenfalls nationalsozialistisch inspiriert waren Teile des ersten Parteiprogramms. Schweizer etwa könne nur werden, so die PNOS, «wer der eigenen oder einer verwandten Volksgruppe» angehöre; diese Forderung war beim Reichsbürgergesetz abgekupfert, verkündet 1935 beim Nürnberger NSDAP-Parteitag. Gleich zweimal wurden Parteiexponenten für Ausländer diskriminierende Vorstellungen des Parteiprogramms verurteilt. Im PNOS-Wortschatz verblieb jedoch der Begriff «kulturfremder Ausländer». Der Begriff «kulturfremd» fand später den Weg auch in den Wortschatz einiger SVP-Exponenten.

Das Verhältnis zur SVP war ambivalent. Die Rechtsextremen lobten die Bundesratspartei für ihren nationalistischen Furor gegen internationale Organisationen und für diskriminierende Regelungen gegen Muslime und Ausländer, insbesondere gegen Menschen afrikanischer oder asiatischer Herkunft. Sie kritisierten den wirtschaftsliberalen Kurs der SVP und bezeichneten Christoph Blocher als «Hüter des Systems». Sie wollten einen «sozialen Wohlstand» für das Volk und nicht für «diejenigen, die bereits ohnehin das Geld in den Arsch geschoben bekommen». Mehrere Jahre zogen PNOS-Gruppen am 1. Mai, den sie als «Tag der Eidgenössischen Arbeit» bezeichneten, demonstrativ durch die Strassen.

Eine antisemitische Partei

Letztmals grössere Medienbeachtung erhielt die Kleinpartei Anfang 2021. Auch diesmal mit juristischen Folgen. In der ersten Nummer ihrer viermal jährlich erscheinenden Parteizeitschrift «Harus» begann die Redaktion mit der Publikation der «Protokolle der Weisen von Zion». Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund reichte Strafklage ein. Kurz vor Weihnachten 2021 verurteilte ein Gericht zwei PNOS-Exponenten erstinstanzlich wegen Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm.

Der Antisemitismus gehörte zur Partei-DNA, häufig hinter Code-Wörtern versteckt, gelegentlich unverhüllt. Beispielsweise im Sommer 2010 bezeichnet der städtische PNOS-Vorsitzende auf der Homepage der Sektion Basel das Tagebuch von Anne Frank als «geschichtliche Lüge» und behauptet eine «Holocaust-Indoktrination junger, unbedarfter Kinder». Buddy Elias, Cousin von Anne Frank und ehemaliger Präsident des Anne-Frank-Fonds, sagte damals nachsichtig: «Dummheit stirbt nie aus. Doch Aufklärung hilft, sie einzudämmen.»

Partei als Vernetzerin

Politisch war sie wenig erfolgreich, viele Parteiaktivisten wurden vor Strafgericht schuldig gesprochen, doch die Kleinpartei wirkte erfolgreich in der Nazi-Skin-Subkultur als Vernetzerin und Organisatorin. Sie mobilisierte für Konzerte, besonders für Aufmärsche auf dem Schlachtfeld Sempach und auf dem Rütli, wo ihre Anwesenheit bei den öffentlichen Gedenkfeiern von den Organisatoren jahrelang geduldet wurde. Auf der Rütliwiese beschimpften 2005 rund 700 Rechtsextremisten den Festredner, SVP-Bundesrat Samuel Schmid. Besonders wenn er Begriffe wie «Integration», «Ausländer», «Demokratie» oder «Religionsvielfalt» verwendete. Die Zugangskontrollen ab 2007 verunmöglichten den Rechtsextremen dann, sich an der patriotischen Feier in Szene zu setzen.

Mehrere PNOS-Exponenten sorgten in der Subkultur für die Verbreitung des rechtsextremen Gedankenguts, sei es als Musiker in der Szene-Band «Indiziert», sei es als Betreiber eines Tonträgerversands oder eines Büchervertriebs. Alle diese Strukturen sind der PNOS im Untergang vorausgegangen.

PNOS Eingestellt, doch weiterhin aktiv

Ein «konkretes Projekt von nationaler Prägung» befinde sich bereits im Aufbau, schreibt PNOS im Abschiedsbrief, allerdings ohne konkrete Hinweise. Zwar bestehen noch Organisationen wie Nationale Aktionsfront oder Junge Tat, und in der Westschweiz die Résistance Helvétique. Doch dass diese Gruppen zusammenfinden, scheint unwahrscheinlich. So wird klar: Eine rechtsextreme Partei verschwindet, rechtsextreme Aktivisten bleiben dran. Dies belegt die Westschweizer PNOS-Sektion. Sie hatte im September 2020 das «Einfrieren» ihrer Aktivitäten angekündigt, doch ihr ehemaliger Vorsitzender Philippe Brennenstuhl verbreitet weiterhin eifrig politische Botschaften, auch unter dem Namen Parti Nationaliste Suisse (PNS). Auch in diesen Tagen auf Facebook: Die Partei unterstütze bedingungslos den französischen Präsidentschaftskandidaten Eric Zémmour. Sein «hemmungsloser Nationalismus» gleiche jenem, den PNS seit 2011 vertrete.