Es fehlen Beratungsstellen

BernerZeitung

Für die Opfer alltäglicher rassistischer Diskriminierung gibt es in der Schweiz zu wenig Anlauf- und Beratungsstellen. Das zeigt eine gestern vorgestellte Studie der Kommission gegen Rassismus.

Franz Hophan

Das zentrale Problem bestehe darin, dass der Rassismus in der Schweiz dem politischen Bereich zugeordnet und nicht als Sachfrage behandelt werde, sagte Georg Kreis, der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), gestern vor den Medien. «Die offiziellen Stellen bekunden Berührungsängste und überlassen die Arbeit der Wohltätigkeit.» Es sei vergleichsweise viel einfacher, eine Hotline für Drogen- und Aidsberatung oder zu Fragen der Uranmunition einzurichten.

Erhebliche Lücken

Die von Fachleuten des Schweizerischen Forums für Migrations- und Bevölkerungsstudien im Auftrag der EKR durchgeführte Studie bietet eine Übersicht über die Tätigkeit und das Leistungspotenzial von über 130 in der Schweiz existierenden Anlauf- und Beratungsstellen. Sie stellt erhebliche Lücken fest und schlägt Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Koordination vor. Der Mangel an Anlaufstellen betreffe Opfer nicht strafbarer rassistischer oder fremdenfeindlicher Diskriminierung, die sich gegen die Würde der Betroffenen richte, sagte EKR-Vizepräsidentin Boël Sambuc. Nötig seien leicht zugängliche Stellen. Dazu brauche es mehr Mittel und eine höhere Sensibilität.

Wenig professionell

Die Studie kritisiert insbesondere das tiefe Niveau der angebotenen Leistungen. Dieses könne erhöht werden durch den Einbezug von Personen mit einem Migrationshintergrund. Diese Menschen suchten auch am häufigsten Beratungsstellen auf, wobei Frauen leicht übervertreten seien. Weniger relevant seien die Beratungen für Schüler und religiöse Minderheiten. Bemängelt wird auch der geringe Professionalisierungsgrad der Beschäftigten von Beratungsstellen, was nur mit gezielter Aus- und Weiterbildung korrigiert werden könne. In den meisten Beratungsstellen dominiert das Einzelkämpfertum. Nur ein Viertel arbeitet mit mehr als einem Partner zusammen. Die übrigen Institutionen kooperieren mit einer oder gar keiner andern Fachstelle. Der Bedarf an intensiver Koordination und Zusammenarbeit mit andern Organisationen sei enorm gross, folgert die EKR. Unterstützung bei der Initiierung und Koordinierung der Vernetzung biete die neu gegründete Fachstelle zur Rassismusbekämpfung (FRB) des Bundes an. Grosse Lücken im Angebot ortet die Studie vor allem in der Innerschweiz oder in Randregionen der Kantone Wallis, Freiburg und Tessin. Die grössere Dichte der Anlaufstellen in den stark besiedelten Gebieten und städtischen Regionen deute nicht auf übermässig viele rassistische Übergriffe hin, sagte EKR-Sekretariatsleiterin Doris Angst Yilmaz. Wo es keine Anlaufstellen gebe, kämen die Vorfälle einfach nicht an die Oberfläche.

Erste Massnahmen

Als erste Massnahme will die EKR vier regionale Tagungen in der ganzen Schweiz organisieren. Sie richten sich an die interessierten Stellen, die sich an der Studie beteiligt haben, und sollen in Zusammenarbeit mit spezialisierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) durchgeführt werden. Die FRB wird die Adressen jener Institutionen, die sich bereits heute mit rassistischer Diskriminierung befassen, in einer Broschüre veröffentlichen. Es sind staatliche, kirchliche und gewerkschaftliche Stellen, psychologische Dienste, Ausländerberatungsstellen, Beratungsstellen für Asylsuchende sowie Institutionen, die sich spezifisch mit Rassismus, Mediation und Interkulturalität befassen. Für den Kampf gegen Rassismus und Fremdenhass stehen jährlich 3 Millionen Franken zur Verfügung. «Immerhin», meinte dazu Georg Kreis, das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.