Erinnerungen an Rütli-Anschlag

Landbote

Unbekannte haben gestern im Zeitraum von nur einer Stunde bei drei politischen Exponenten der Rütlifeier in der Innerschweiz Sprengsätze gezündet. Die Behörden vermuteten am Abend dieselbe Urheberschaft.

LUZERN ? Ein «gewaltiger Knall» habe ihn am Morgen um 5 Uhr geweckt, sagte der Urner Sicherheitsdirektor Josef Dittli (FDP). Zuerst habe er vermutet, dass der Blitz eingeschlagen habe. Tatsächlich war es eine Explosion im Briefkasten vor seinem Wohnhaus in Attinghausen. Teile des Kastens flogen bis zu acht Meter weit auf die Strasse. Dittli war als Urner Regierungsrat für die Sicherheit an der Rütlifeier vom 1. August zuständig.

Spät entdeckt

Etwa zur gleichen Zeit wie in Attinghausen muss vor der Haustüre des Mehrfamilienhauses von alt CVP-Nationalrätin Judith Stamm in Luzern ein Sprengsatz hochgegangen sein. Die Spuren der Detonation wurden erst am Nachmittag entdeckt. Die Täterschaft legte den Satz im Eingangsbereich, da das Wohnhaus über keine Aussenbriefkästen verfügt. Bei allen drei Anschlägen wurde niemand verletzt. Stamm ist Präsidentin der Rütlikommission der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), die die Feier organisiert. Sie tritt auf September von dieser Funktion zurück.

Schon eine Stunde vorher gab es bei FDP-Nationalrat Edi Engelberger in Stans laut einer Nachbarin einen «sehr lauten Knall». Die Polizei stellte auch dort fest, dass ein pyrotechnischer Gegenstand mittels Zeitschaltuhr gezündet wurde. Engelberger ist Mitglied der Rütlikommission.

Die Anschläge zeigen Ähnlichkeiten mit dem Vorfall auf der Rütliwiese vom 1. August. Auch dort war ein kleiner Sprengsatz mittels Zeitzünder zur Explosion gebracht worden. Verletzt wurde niemand, da die meisten Gäste die Rütliwiese bereits verlassen hatten. Dittli äusserte damals die Vermutung, dass rechtsextreme Kreise hinter der Tat stehen könnten. Dazu sagte er gestern: «Für mich ist einfach der Verdacht gross, dass es die gleiche Täterschaft ist wie auf dem Rütli am 1. August und bei Nationalrat Engelberger in Stans.» Das Bild in seinem Briefkasten mit Drähten, Batterie und Klebeband habe ihn an die Überreste der Sprengkörper auf dem Rütli erinnert.

Alle betroffenen Politiker sind in die Bundesfeier auf dem Rütli involviert. Nachdem dort am 1. August ein in der Wiese vergrabener Sprengkörper explodiert war, sprach Dittli von einem bösartigen, mutwilligen Akt. Allgemein vermutet man hinter dem Anschlag rechtsextreme Kreise. Seitens der Organisatoren der Rütlifeier hatte man sich bemüht, einen Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern ? mit Erfolg.

Gleiche Täterschaft?

Weder die Luzerner, Urner noch die Nidwaldner Polizei konnten bis am Abend Angaben über die Täterschaft machen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft ging von derselben Urheberschaft bei allen drei Explosionen aus. Die drei Kantonspolizeien koordinieren ihre Ermittlungen. Herbert Planzer, stellvertretender Leiter der Kommandodienste der Urner Polizei, wollte eine Verbindung zu rechtsextremen Kreisen weder dementieren noch bestätigen. Auch liegen keine Drohungen oder Bekennerschreiben vor. Die Urner und die Nidwaldner Regierung verurteilten die Anschläge am Dienstag aufs Schärfste und forderten lückenlose Aufklärung. Die FDP Schweiz nannte sie eine «Tat Wahnsinniger».

Fall für Bundesanwaltschaft

Für die Ermittlungen wurde der Wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich beigezogen. Weil Sprengstoffdelikte der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, wurden Bundeskriminalpolizei und Bundesanwaltschaft orientiert. Die Bundesanwaltschaft (BA) ermittelt bereits im Zusammenhang mit dem Anschlag auf dem Rütli. Zum Stand oder zu den Ergebnissen des Verfahrens konnte BA-Sprecherin Jeanette Balmer auf Anfrage keine Angaben machen. Auch zu den Anschlägen von gestern wollte sie sich nicht äussern.