Erdogans Rechtsextreme in Basel

Basel. Es scheint wie ein fröhlicher Familientreff in einem Gewerbegebäude an der Reinacherstrasse beim Dreispitz. Frauen tischen Snacks und Süssgetränke auf, die Kinder spielen und die Herren lassen Gebetskettchen durch ihre Finger rinnen und trinken türkischen Schwarztee. Um die Erinnerungen festzuhalten, posieren zwei Herren in schwarzen Pullovern vor einer türkischen Flagge für ein Foto, das später im Netz landet (siehe Bild). Der eine formt die rechte Hand zu einer Wolfsschnauze, der andere zeigt auf den Aufdruck auf seinem Rücken. Drei Halbmonde prangen zwischen den Schulterblättern. Das Wappen der osmanischen Kriegsflagge. «Bozkurt» steht darunter: Grauer Wolf. Was sich da in der Mevlana-Moschee abspielt, ist kein geselliger Treff unter Freunden und Familie. Es ist eine Versammlung der Grauen Wölfe Basel. Ein Ableger türkischer Rechtsextremisten.

Genau diese Gruppierung – deren rechtsradikale Ableger auf der ganzen Welt tätig sind – hat in den vergangenen Tagen für Furore im Baselbiet gesorgt. Wie Recherchen der

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ergaben, wollten die Grauen Wölfe heute Abend in Reinach eine Kundegebung mit 500 Teilnehmern abhalten. Sie wollten Werbung für die kommende Abstimmung in der Türkei machen. Die Wölfe unterstützen den türkischen Präsidenten Erdogan.

Rassistisch und gewaltbereit

Viele Türken hierzulande zeigten sich deshalb verängstigt ob dem Grossauflauf von Rechtsextremen in Reinach. Im Landrat forderten Politiker jeglicher Couleur gegenüber der

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, dass man die Veranstaltung unterbinden solle. «Die Forderung, die Veranstaltung der Grauen Wölfe zu unterbinden, kann ich gut nachvollziehen», sagt beispielsweise SP-Landrat Diego Stoll. Gestern Nachmittag kamen die Basellandschaftlichen Behörden seinem Wunsch nach: Die Polizei hat die Veranstaltung der Grauen Wölfe verboten. «Mit der Verfügung der Polizei sind die Veranstaltung der Grauen Wölfe sowie jegliche Gegenbewegungen verboten», schreiben die Sicherheitsbehörden in einer Mitteilung. Mitorganisator sollte auch der Basler Ableger der Grauen Wölfe sein.

Offiziell nennen sich diese «Mevlana-Moschee» oder «Türkischer Kultur Verein» und Graue Wölfe treten nur unter sich auf. Gegen aussen wirken sie unscheinbar. Unterscheiden sich nicht von anderen türkischen Kulturvereinen. Doch die Bilder, die der BaZ vorliegen, verraten, wer sie wirklich sind. Auf dem Rücken des Mannes prangt ein weiterer Schriftzug: «Basel ülkü ocagı». Auf Deutsch: Basler Idealistenverein. So nennen sich weltweit alle Ableger der Grauen Wölfe. In Deutschland gibt es sogar die Föderation der Türkisch- Demokratischen Idealistenvereine, die als Dachverband alle Ableger der dortigen Wölfe vertritt. Sie wird vom Verfassungsschutz überwacht.

Dieser stuft die Organisation als faschistisch und rassistisch ein. Zudem gehe man von «einer latenten Gewaltbereitschaft einzelner Anhänger» aus. In Deutschland kam es zu Anschlägen und Attacken von Grauen Wölfen auf ethnische Minderheiten. 2005 fuhren Graue Wölfe mit einem Auto in Bern in eine Menschenmenge an einer kurdischen Demonstration (siehe Box).

Der Basler Ableger zählt über 100 Mitglieder. Gemäss dem Informationsportal inforel.ch erscheinen bei der jährlichen Wahl des Vereinspräsidenten rund 1000 Anhänger. Bemerkenswert: Die Basler Wölfe sind offiziell Mitglied der Basler Muslim Kommission (BMK). Seit dem letzten Jahr stellen sie sogar ein Vorstandsmitglied. Die BMK vereint seit ihrer Gründung 1992 die islamischen Organisationen der beiden Basel. Ursprünglich gegründet, um muslimische Beerdigungen im Rahmen des Bestattungsgesetzes durchzuführen, ist sie heute Ansprechpartner des Kantons, wenn es um allgemeine Fragen zur muslimischen Gemeinschaft geht.

Zusammenarbeit mit den Wölfen

Für Basel-Stadt sei «die BMK wichtig für den regelmässigen Austausch und das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen», schreibt Melanie Imhof, Sprecherin des Präsidialdepartements (PD), auf Anfrage. Die Fachstelle Diversität und Integration, die dem PD untersteht, lädt jährlich zum «runden Tisch der Religionen», wo der Kanton den Dialog zwischen den religiösen Gemeinschaften in Basel sucht, um ein «friedliches Zusammenleben» zu fördern. Dabei sitzen Mitglieder der BMK am Tisch und vertreten unter anderem die Ansichten der Grauen Wölfe. Wusste das PD nicht, mit wem es hier zu tun hatte? Offenbar schon.

Melanie Imhof bestätigt, dass die Verantwortlichen im PD wissen, dass die Mevlana-Moschee ein Ableger der Grauen Wölfe ist. Ebenfalls wisse man beim PD, dass die Wölfe ein Vorstandsmitglied in der BMK stellen. Die Zusammenarbeit mit der BMK oder den zugehörigen Vereinen – also den Grauen Wölfen – werde aber nicht eingestellt. «Es ist wichtig, mit allen Akteuren des runden Tisches in Kontakt zu bleiben», schreibt Imhof.

Die BMK sowie der Kanton selbst halten schriftlich fest, sich für Toleranz und gegen Rassismus einzusetzen. Dass man dabei mit Leuten das Gespräch sucht, die den Völkermord an den Armeniern leugnen und Kurden als «Babymörder» denunzieren, scheint fragwürdig. Weder die BMK noch die Mevlana-Moschee waren für ein Statement zu erreichen.

Die Ideologie der Grauen Wölfe

Die Mitglieder der Grauen Wölfe (­türkisch: Bozkurtlar) gehören der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) an. Die Wölfe bezeichnen sich selbst als «Idealisten» und bekennen sich zum sogenannten Panturkismus. Ziel der Grauen Wölfe ist eine sich vom Balkan über Zentralasien bis ins chinesische Autonome Gebiet Xinjiang erstreckende Nation, die alle «Turkvölker» vereinen solle. Feindbilder ihrer Ideologie sind Juden, Kurden, Armenier, Griechen und einige weitere ethnische Gruppierungen. Die Wölfe waren in der Vergangenheit in zahlreiche Terrorakte und Morde verwickelt, vor allem während der Militärdiktatur von 1974 bis 1980. Besonders Kurden, Armenier und Aleviten wurden von Wölfen gezielt angegriffen oder ermordet. Die Wölfe lehnen den ­Sozialismus sowie den Kapitalismus ab. Der politische Faschismus liegt ihrer Ideologie am nächsten. Während sie die letzten Jahrzehnte mit der türkischen Regierungspartei AKP auf Kriegsfuss standen, unterstützen sie mittlerweile Präsident Erdogan und seine Politik.

sa