Limmattaler Zeitung.
In der Stadt sind zahlreiche rassistische und antisemitische Aufkleber angebracht worden. Absender soll die «Eisen Jugend Schweiz» sein.
Alleine in der Kesselschmiede im Sulzer-Areal waren sie alle paar Meter zu sehen: zwei schwarz-rote Aufkleber mit irritierendem Inhalt. Der erste stellt eine Verbindung vom Bolschewismus zum Judentum her, was eine unter Antisemiten gängige Rhetorik ist. Auf dem zweiten Aufkleber wird gegen «gemischtrassige Paare» und «Mischkinder» angeschrieben. Als Absender ist lediglich eine E-Mail-Adresse der «Eisen Jugend Schweiz» angegeben.
Mindestens einer der beiden Aufkleber wurde diese Woche bereits in Zürich verteilt, laut einem Twitter-Nutzer an der Universität Zürich und an der ETH Zürich. Auch in Winterthur fanden sich viele Aufkleber in der Nähe von Hochschulgebäuden der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die Stadtpolizei hatte bisher keine Kenntnis davon.
Nach Einschätzung von Samuel Althof von der Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention (Fexx) verstossen die Aufkleber wohl nicht gegen die Rassismus-Strafnorm: Der antisemitische Kontext und die Implikation seien zwar klar gegeben. Die strafrechtliche Relevanz sei aber fraglich, da kein öffentlicher Aufruf ersichtlich sei. «Häufig wissen die Autoren solcher Zeilen genau, wie weit sie gehen können, ohne Strafen befürchten zu müssen. Diese Aufkleber passen deshalb zu den rechtsextremen Strategien, welche die Szene in den letzten Jahren entwickelt hat», sagt Althof.
Schweizer liest Nazischriften vor
Wer hinter «Eisen Jugend Schweiz» steht, ist unklar. In einem Blog unter gleichem Namen heisst es, man sei eine Jugendorganisation, die sich «für die Interessen unserer Rasse einsetzt». Wer bereit sei, für sein Volk zu kämpfen, solle sich anschliessen. Auf einer Twitter-ähnlichen Plattform hat der Nutzer zudem seit Dezember zahlreiche Beiträge mit rassistischen, antijüdischen, homophoben und völkischen Inhalten veröffentlicht.
Noch radikaler zeigt sich der Absender auf Telegram, wo knapp 50 Nutzer seinem Kanal folgen. In diesem verbreitete er beispielsweise das Pamphlet des Christchurch-Attentäters, der im vergangenen März 51 Menschen tötete, oder ein Buch des «American Hitler» George Lincoln Rockwell.
Offenbar produziert er sogar selbst Inhalte, indem er Nazischriften – reichlich fehlerhaft – vorliest und sich dabei aufnimmt: Auf den Tonspuren ist eine männliche Stimme mit Schweizer Akzent zu hören, die Joseph Goebbels «Kampf um Berlin» und ideologisches SS-Unterrichtsmaterial («Handblätter für die weltanschauliche Erziehung der Truppen») vertont.
Für Winterthur kommt das überraschend. In den letzten Jahren war hier keine offen rechtsextreme Bewegung bekannt. Gut möglich ist, dass es sich bei der «Eisen Jugend Schweiz» um eine einzelne Person handelt. «Dass sich ein Rechtsextremer über das Internet radikalisiert, ist kein Sonderfall», sagt der Extremismusexperte Samuel Althof. «Das Internet ist eine Echokammer, in der Einzelgänger Bestätigung von Gleichgesinnten finden.»
Das erinnert an den Christchurch-Terroristen: Dieser gilt als Einzeltäter, der sich über Naziforen und das Imageboard «8chan» austauschte. Aus Präventionsperspektive müsse man solche Fälle sehr ernst nehmen, sagt Althof, weil die Möglichkeit bestehe, der Person aus dieser Szene zu helfen.