Eine Natelnummer für rechtsextreme Aussteiger
Eine neue Anlaufstelle für ausstiegswillige rechtsextreme Jugendliche, deren Eltern und Gemeinden sowie weitere Präventionsmassnahmen. Das sind die Ergebnisse des neuen Baselbieter Rechtsextremismusberichts. Informationen über die Rechtsextremenszene enthält er nicht.
In Rheinfelden ist dieser «Hooligan»-Laden des Präsidenten einer ultrarechten Partei am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Jetzt bietet der Kanton Baselland seinen Anhängern Ausstiegshilfe an.
Liestal. -eck. «Es darf nicht sein, dass wir wieder eine solche braune Suppe bei uns haben.» Mit diesen klaren Worten markierte gestern der Baselbieter Regierungsrat Andreas Koellreuter einmal mehr die Entschlossenheit der Baselbieter Behörden, dafür zu sorgen, dass rechtsextreme Organisationen sich in diesem Kanton nicht entfalten können sollen. Aufgeschreckt durch verschiedene Aufmärsche von Rechtsextremen im letzten Jahr – unter anderem auch in Liestal – hatte die Baselbieter Regierung eine Arbeitsgruppe mit Spitzenbeamten und kantonalen Fachleuten ins Leben gerufen, die den Auftrag hatte, «die rechtsextreme Situation in unserem Kanton zu analysieren und dem Regierungsrat Massnahmenvorschläge zu unterbreiten».
Die Arbeitsgruppe hatte dem Sozialarbeiter Franz Kohler, Inhaber der «PMS Kohler Projektmanagement im Sozialwesen» den Auftrag zur Erstellung eines Grundlagenpapiers erteilt, der auch Basis des gestern vorgestellten zweiten Berichts der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus bildete.
Unklare Zahlen
Sehr knapp sind darin die Ausführungen zur Verbreitung des Rechtsextremismus unter Jungen ausgefallen. Doch während die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion in ihrer gestrigen Medienmitteilung schreibt, «dass rund 70 bis 75 Jugendliche und junge Erwachsene der rechtsextremistischen Szene im Kanton Basel-Landschaft zuzuschreiben sind», äussert sich der Arbeitsgruppenbericht vorsichtiger: «Im Kanton Basel-Landschaft dürften zirka 70 bis 75 Jugendliche und junge Erwachsene wohnen, die zur rechtsextremistischen Szene zu zählen sind». Franz Kohler bestätigte, dass diese Zahl «nicht wissenschaftlich erhärtet» sei. Man habe faktisch das arithmetische Mittel aus den Befragungen von Fachleuten und Betroffenen genommen. Dabei waren die Schätzungen weit auseinandergegangen – zwischen 40 und 500 Personen.
Erwachsene ausgeklammert
Ausgeklammert wurden, wie dem Grundlagenpapier entnommen werden kann, eine Untersuchung des Rechtsextremismus bei jungen Ausländern und bei Erwachsenen im Kanton. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren denn auch nicht in der Lage, die Frage zu beantworten, ob rechtsextremistische Erwachsene die im Baselbiet verankerte und von Jungen frequentierte «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS) unterstützen oder nicht. Auch zur PNOS und andern Organisationen finden sich keinerlei Informationen.
Ausführlich hingegen wird ein ganzes Paket von Präventionsmassnahmen und Ausstiegeshilfen präsentiert. Wichtigste Neuerung ist eine Natel-Nummer, unter welcher der Sozialarbeiter Franz Kohler als Anlauf- und Beratungssstelle für ausstiegswillige Jugendliche, betroffene Eltern, aber auch für Gemeindebehörde erreichbar ist.
Leidensdruck nötig
Die Ausstiegsbereitschaft von Jugendlichen setze einen «Leidensdruck» voraus, skizzierte Kohler die Ausgangslage. Man müsse ihnen klar machen, dass ihr Verbleib in der rechtsextremen Szene mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Auch solle ihnen eine Alternative zur Selbstdarstellung geboten werden. Denn die Arbeitsgruppe geht davon aus, dass sich bei diesen Jugendlichen die rechtsextreme Ideologie noch nicht verfestigt hat, sondern dass ihnen deren Embleme dazu dienen, sich von der Erwachsenenwelt abzugrenzen und zu provozieren.
Auch für Eltern von rechtsextremen Jugendlichen ist die Anlaufstelle da. Gedacht wird hier an die Schaffung einer Selbsthilfegruppe. Und auch Gemeinden können sich hier Rat holen. Als Pilotgemeinde dient Laufen. Einen Zusammenhang mit dem geplanten kantonalen Asylaufnahmeheim bestehe aber nicht, sagte Koellreuter.
Antifaschistische Auftritte
Wesentlicher Präventionsträger wird die Schule sein. Hingewiesen wird zudem auf die Kampagne beim Sport (vorab Fussball). Mit mobiler Jugendarbeit soll auf die Jugendlichen zugegangen werden. Die Polizei hat einen Standardbrief verfasst, mit dem sie Eltern über rechtsextreme Aktivitäten ihrer Kinder orientiert. Justizdirektor Andreas Koellreuter sagte in diesem Zusammenhang, dass seit einem Jahr verstärkter präventiver Staatsschutz betrieben werde, der aber den rechtsstaatlichen Auflagen gerecht werde. Auch die Politik will sich engagieren. So haben sich die Baselbieter Regierungsräte verpflichtet, sich mindestens einmal pro Jahr öffentlich zum Thema Rechtsextremismus zu äussern.
Schliesslich hat die Arbeitsgruppe die Aufgabe gefasst, einen Vorschlag für eine gemeinsame Arbeitsgruppe der beiden Basler Halbkantone zu erarbeiten. Basel-Stadt unterstütze diesen Vorschlag grundsätzlich, hiess es an der gestrigen Medienorientierung.
Anlauf- und Beratungsstelle Rechtsextremismus: Franz Kohler Tel. 079/763 95 89, 8 bis 22 Uhr; Stephan Mathis, Direktionssekretär Justiz-, Polizei- und Militärdirektion (JPMD), Telefon 061/925 57 02 (Bürozeiten); Barbara Umiker, Leiterin Kommunikation der JPMD, Telefon 061/92 56 65 (Bürozeiten).