Ist ein Polizist schuld daran, dass ein Demonstrant im Spital liegt? Ein Strafantrag soll Klarheit bringen.
Christian Werder
Der Besuch des italienischen Vizepremiers Gianfranco Fini vom letzten Samstag in Bern sorgte für Zoff: Mehrere Dutzend Personen demonstrierten gegen die Anwesenheit des Rechtspolitikers. Die Polizei löste eine Strassenblockade der Aktivisten mit Tränengas und Gummischrot auf. Verschiedene Demonstranten warfen mit Steinen, Eiern und Knallpetarden (diese Zeitung berichtete).Einer der Aktivisten beklagt sich nun öffentlich über den Polizeieinsatz. Konkret: Einer der Polizisten habe ihm ein Bein gestellt und ihn zu Boden geschleudert. Dadurch habe er einen doppelten Armbruch erlitten.
Bei der Flucht passierte es
Der knapp 18-Jährige befindet sich nach wie vor in Spitalpflege. Zusammen mit seinem Vater (Namen der Redaktion bekannt) hat er unterdessen auf den Vorfall reagiert. Die beiden setzten eine «Anzeige gegen einen unbekannten Polizisten der Stadtpolizei Bern» auf und schalteten einen Rechtsanwalt ein. Gestern Mittwoch wurde der «Strafantrag wegen Körperverletzung» an das Untersuchungsrichteramt Bern-Mittelland abgeschickt.Der Wortlaut der Anzeige wurde gleichzeitig dieser Zeitung zugestellt. Aus der Anzeige geht hervor, dass sich der Vorfall im Verlauf der «Flucht» der Demonstrierenden in der Altstadt ereignet haben soll. Wörtlich heisst es im Schriftstück unter anderem: «Beim Überqueren der Kreuzgasse hielt ich an (…), dann schaute ich nach rechts und sah zwei Polizisten auf mich zukommen. Der eine rief
«Keine Kenntnis»
Und wie reagiert die Polizei auf die happigen Vorwürfe? «Wir haben bis jetzt keine Kenntnis davon, dass ein Demonstrant verletzt wurde», versichert Beat Gross, Pressesprecher der Stadtpolizei Bern. Normalerweise würden solche Vorwürfe an die Adresse der Polizei postwendend laut. Aber weder von Augenzeugen der Demonstration noch von Seiten der Demonstranten selber habe man «irgendetwas in dieser Hinsicht» vernommen.
Warum nicht zur Polizei?
Für Gross stellt sich in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Frage, warum der betreffende Demonstrant sich nicht umgehend mit der Polizei selber in Verbindung gesetzt habe. «Wird jemand verletzt, wird uns dies in der Regel immer sofort mitgeteilt.» Ein möglicher Vorfall werde danach postwendend untersucht. Nicht gerade üblich findet Polizeisprecher Beat Gross auch die Tatsache, dass der Demonstrant und sein Vater sogleich den Kontakt mit den Medien gesucht haben. «Das ist ein eigenartiger Weg», findet Gross.
«Absolut glaubwürdig»
Der Vater des Demonstranten kontert diese Bemerkung mit dem Argument, man wolle in diesem Fall eben «Transparenz» schaffen. Darum sei er mit der Anzeige an die Presse gelangt.Wie sieht es aber aus mit der Glaubwürdigkeit des Demo-Teilnehmers? War er selber gewaltbereit? Hat er Polizisten provoziert? «Nein, ganz sicher nicht. Bevor ich flüchtete, hielt ich bloss ein Transparent und sass auf dem Boden», betont der 18-Jährige. Und für seinen Vater steht ausser Frage: «Mein Sohn ist mit seinen Aussagen absolut glaubwürdig.» Und: «Er ist kein Provokateur.»