In Genf kandidiert Pascal Junod, eine zentrale Figur der rechtsextremen Neuen Rechten, auf der SVP-Liste für den Nationalrat.
Autor: Von Christina Leutwyler
Er glaube nicht, dass seine Ansichten für die Partei zum Problem würden, sagt Pascal Junod zuversichtlich. Und wenn doch, „dann werde ich wählen müssen“. Vielleicht wird der 41-jährige Anwalt schneller vor die Wahl gestellt als geglaubt. Denn zwei Vertrauensleute der SVP Schweiz informieren sich derzeit genauer über die Kandidaten der kleinen Genfer Kantonalpartei. Ihren Bericht erwartet SVP-Präsident Ueli Maurer am nächsten Montag.
Herauszufinden, wer Pascal Junod ist, dürfte ihnen nicht allzu schwer fallen. Er bestreitet nicht, eine zentrale Figur der Neuen Rechten in der Westschweiz zu sein. Diese rechtsextreme Bewegung betont die Ungleichheit der Kulturen, postuliert die Überlegenheit Europas „und leistet mit ihrer ethnozentrischen Haltung dem rassistischen Denken Vorschub“, wie die Professoren Urs Altermatt und Hanspeter Kriesi in ihrem Standardwerk „Rechtsextremismus in der Schweiz“ schreiben. Die Neue Rechte orientiert sich an vordemokratischen, hierarchisch strukturierten Gesellschaften und lehnt die Aufklärung mit ihren demokratischen und egalitären Grundsätzen ab. Sie will vor allem Intellektuelle ansprechen und verbreitet ihre Ideologie in Publikationen und Denkzirkeln.
Junod, der den Neuen Rechten in Frankreich sehr nahe steht, gründete in der ersten Hälfte der 80er-Jahre die beiden Zirkel Thule und Proudhon. Ziel des Cercle Thule sei es, die Werke der Neuen Rechten in der Westschweiz zu vertreiben, erklärt Junod. Er kümmere sich selbst nicht mehr direkt darum, doch bestehe weiterhin ein Versanddienst. An den Vorträgen des Cercle Proudhon nehme er gelegentlich teil. Aktiv sei er vor allem als Präsident der Vereinigung der Freunde von Robert Brasillach.
Erbe eines Faschisten
„Der Schriftsteller und Publizist Robert Brasillach (1909-1945) trat in den Dreissigerjahren für einen «Faschismus à la française» ein, der auf Nationalismus und Rassismus aufbaute“, ist bei Altermatt und Kriesi nachzulesen. Brasillach war Chefredaktor der damals wichtigsten faschistischen Zeitschrift Frankreichs, „Je suis partout“, und vertrat antisemitische Ansichten. 1945 wurde er wegen Kollaboration zum Tode verurteilt. Die Vereinigung, die Junod seit sieben Jahren präsidiert, pflegt Brasillachs literarisches Erbe. Sie leiste, so urteilen Altermatt und Kriesi, „einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Strategie der Nouvelle droite“. Die Neue Rechte betont ihre Distanz zu militanten Rechtsextremen. Zumindest als Anwalt hat Junod aber zu diesen Kreisen Kontakt. In Genf verteidigte er dieses Jahr einen Skinhead, der einen Algerier mit einem Messerstich in den Oberkörper verletzt hatte und zu 15 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt wurde.
„Das ist inakzeptabel“
Ueli Maurer hatte bisher nur eine äusserst vage Vorstellung davon, für welche Ideen Junod eintritt. Konfrontiert mit den Informationen über dessen Rolle bei den Freunden Brasillachs, sagte er am Mittwoch: „Wenn das so ist, dann ist der Faden wahrscheinlich gerissen. Das ist inakzeptabel.“ Doch bevor er handelt, will er den Bericht seiner Vertrauensleute abwarten.
Stutzig wurde die Spitze der SVP Schweiz, als sie vor rund zwei Wochen die Kandidatenliste aus Genf erhielt und dort den Namen Peter Spycher entdeckte. Der Techniker hatte vor vier Jahren auf der Liste der Schweizer Demokraten für den Nationalrat kandidiert, obwohl er damals noch Genfer SVP-Präsident war. Daraufhin kam es zur Trennung. Genauer interessiert sich die SVP auch für Pierre Schifferli. Der 52-jährige Anwalt hatte eine führende Rolle in der World Anti-Communist League, die Kontakte zu europäischen Neonazis unterhielt. Zu denken scheint Maurer schliesslich auch zu geben, dass auf der Genfer SVP-Liste mit Jack Yfar ein früherer Abgeordneter der Partei der Arbeit kandidiert.
Die SVP-Zentrale hat von der Genfer Kantonalpartei eine Stellungnahme zu ihren Kandidaten verlangt und auch erhalten. Doch die Auskünfte genügten ihr nicht. Der Leitende Ausschuss beschloss deshalb am vergangenen Freitag, eigene Abklärungen machen zu lassen. „Weitere Schritte behalten wir uns vor“, verkündet Maurer. Die Bandbreite möglicher Sanktionen reicht von einer Rüge bis zum Parteiausschluss. Die SVP Schweiz könnte der Genfer Kantonalpartei allenfalls nahe legen, einzelne Mitglieder auszuschliessen. Dazu zwingen könnte sie sie aber laut Maurer nicht. Einen Ausschluss der gesamten Genfer Kantonalpartei könnte nur der Zentralvorstand beschliessen, doch würde dafür die Zeit vor den Wahlen knapp.
Die Probleme mit der Genfer Partei, die in den letzten kantonalen Wahlen auf einen Stimmenanteil von 4,5 Prozent kam, kommen Maurer höchst ungelegen. Denn er möchte mit der SVP bis im Jahr 2003 in der Westschweiz Fuss fassen. Er glaubt, dass es in Genf ein Potenzial bei kleinen und mittleren Unternehmern gibt, denen die Liberale Partei zu elitär ist. Doch in der Genfer SVP, so wie sie heute sei, weiss Maurer, „machen die Unternehmer nicht mit“.