Der Schweizer beschimpfte eine Türkin und wollte ihr Handschellen anlegen. Drei Monate Gefängnis, hat der Richter nun entschieden.
Von Chris Winteler
Zürich. – Die 28-jährige Türkin sitzt im Intercity von St. Gallen nach Zürich. Sie hat ein Abteil für sich, schaut aus dem Fenster. Ein Mann bleibt im Gang stehen, er trägt eine dunkelgrüne Bomberjacke, sein Kopf ist kahl. Er mustert die Frau, beginnt dann laut über Ausländer zu fluchen, brüllt, sie sei eine Schande für die Schweiz, Ausländer wie sie gehörten ausgeschafft. Sie solle ihm nun sofort ihren Ausweis zeigen. Er sei von der Polizei, der Kriminalpolizei. Er werde schon dafür sorgen, dass sie in ihre Heimat zurückgeschickt werde.
Die Frau fürchtet sich, sie will fliehen, beim Zugbegleiter Hilfe suchen. Der Mann folgt ihr. Vor den Augen des Zugbegleiters holt er Handschellen aus der Hosentasche, sagt, er werde sie nun verhaften. Der Zugbegleiter schaltet sich ein, will einen Polizeiausweis sehen. Nun behauptet der Mann, Privatdetektiv zu sein, zeigt seine Identitätskarte. Inzwischen fährt der Zug in den Hauptbahnhof ein. Noch einmal droht der Mann der Frau, sagt, falls er bestraft werden sollte, würde er eine Horde Skinheads bei ihr vorbeischicken. Die Frau hat grosse Angst. Doch einschüchtern lässt sie sich nicht, sie erstattet Anzeige bei der Polizei.
Im Mai hätte sich der Mann dem Einzelrichter stellen müssen, Amtsanmassung und Drohung werden ihm vorgeworfen. Doch der Mann, der sich damals im Zug als so guter Schweizer gab, bleibt dem Prozess am Bezirksgericht Zürich fern – ohne Entschuldigung. Der Richter muss das Urteil auf Grund der Akten fällen. Darin steht, dass der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe während der gesamten Untersuchung bestritten habe. Doch der Richter glaubt den Aussagen der Frau, «sie sind frei von Widersprüchen und ergeben einen logischen und nachvollziehbaren Ablauf der Geschehnisse», steht im nun veröffentlichten Urteil. Der 29-jährige Schweizer ist weder Polizist noch Privatdetektiv. Eine Lehre als Verkäufer brach er ab, die Lehre als Dachdecker beendete er ohne Abschluss. An einer Ausbildung als Privatdetektiv scheiterte er. Zurzeit ist er arbeitslos, schuldet den Kollegen Geld, wohnt bei den Eltern. Demnächst wird er für drei Monate in eine Gefängniszelle ziehen müssen, so urteilt der Richter. Und der Türkin muss er 500 Franken Genugtuung zahlen.
Gefahr im Zug und auf der Strasse
Übrigens, nicht nur im Zug, auch auf der Strasse ist der Mann eine Gefahr für die Mitmenschen. Innerhalb von 18 Monaten war er mit seinem Mazda dreimal viel zu schnell unterwegs. Zuletzt wurde er im August 2003 erwischt, damals raste er mit 143 statt den erlaubten 100 Stundenkilometern über die A 4 bei Urdorf. Einsicht zeigt er nicht, im Gegenteil: Wenn er Gas gebe, dann gehe halt auch etwas, bluffte er vor den Polizisten. Sein Fahrstil erklärt jedenfalls, weshalb er zwischendurch auf den Zug angewiesen ist.