«Ein Baum, ein Strick …»

WochenZeitung

Nach dem Mord an der Appenzeller Kindergärtlerin Ylenia hat eine bis anhin unbekannte Frei Nationale Kameradschaft Schweiz-Germania für Samstag, den 13. Oktober, eine Kundgebung «Gegen Kinderschänder und Gewalt an Kindern» in Appenzell angekündigt. Die Veranstalter rufen dazu auf, «nicht allzu extrem gekleidet» zu erscheinen. In der Tat: Bomberjacken mit Naziemblemen oder rassistischen Zeichen könnten die angestrebte politische Reputation unmöglich machen. Das Bewilligungsgesuch eingereicht hat eine junge Frau, wohnhaft in Wiedlisbach im Kanton Bern. Mobilisiert wird auf einer eigens eingerichteten Homepage, die von einem «Patrick Rechsteiner, Wiedlisbach» angemeldet worden ist.

Das Thema «Kinderschänder» wird von Rechtsextremisten immer wieder gerne aufgegriffen. Auch in der Schweiz. Bereits Anfang Februar 2003 folgten rund hundert Personen einem Aufruf «gegen Kinderschänder» der Nationalen Ausserparlamentarische Op­position (NAPO) und marschierten überraschend durch Solothurn. Der Holocaust-Leugner Bernhard Schaub hielt anschliessend eine kurze An­sprache.

Auch Rechtsextremisten stossen mit Aktionen gegen «Kinderschänder» kaum auf politischen Widerstand, ausser sie lassen ihre Todesstrafenvorstellungen anklingen. Exemplarisch der Demoaufruf der PNOS-Sektion, Berner Oberland: Diese kritisiert eine Justiz, die es nicht für nötig halte, Kinderpornografie und Kindsmissbrauch mit lebenslanger Haft – «wenn nicht gleich mit der Todesstrafe» – zu bestrafen. Ungeschminkt drückt es ein Schreiber auf der Internetseite der Organisatoren aus: «Ein Baum, ein Strick, ein Schändergenick!» Der Demoaufruf hat in der rechtsextremistischen Szene noch weitere Unterstützung erhalten. Die PNOS-Umfeldorganisation Kampfbund Nationaler Aktivisten (KNA) beispielsweise will gegen «die traurige Entwicklung unserer dekadenten Gesellschaft» protestieren. Und im Schweizer Forum des Neonazi-Netzwerkes Blood and Honour kündigen mehrere SchreiberInnen ihre Reise nach Appenzell an.

Der Appenzeller Bezirksrat (Gemeinderegierung) hat diesen Mittwoch (nach Redaktionsschluss) über die bereits Anfang September erteilte Demon­s­- trationsbewilligung nochmals beraten.