zentralplus. Der Zuger Kantonsrat Willi Vollenweider wirbt auf der eigenen Webseite mit sonderbaren Methoden. Darauf ist – auch drei Jahre nach der Wahl – ein Inserat zu finden, in dem der ehemalige SVP-Politiker Adolf Hitler zitiert. Geht gar nicht, finden Fachleute. Muss sein, sagt Vollenweider.
Der mittlerweile parteilose Zuger Kantons- und Gemeinderat Willi Vollenweider zeigt auf seiner Webseite verschiedene Wahlinserate, die jeweils mit einem Zitat einer bekannten Persönlichkeit versehen sind.
Eines der Inserate wird von folgendem Quote untermalt: «… Man übernähme eher den Islam, die Belohnung des Heldentums. Gab’s auch bei den Germanen, und wäre nicht das Christentum dazwischengekommen, hätte man damit wohl die Welt erobert.» Die Aussage stammt von niemandem Geringerem als Adolf Hitler. Das wird im Inserat von Vollenweider auch so deklariert. Auch wenn die Wahlpropaganda bereits mehrere Jahre alt ist, steht sie noch auf Vollenweiders Webseite.
«Die Verwendung von Zitaten, die von Hitler stammen, ist als unangemessen zu werten.» (Giulia Brogini, Geschäftsführerin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus)
Die grosse Frage: Darf man das von Rechts wegen? Darf ein Politiker den Hauptverantwortlichen für den grössten Massenmord in der Geschichte der Menschheit zitieren? Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus findet: Ja. Das infrage stehende Zitat verletze das Gesetz gegen die Rassendiskriminierung nicht. Die Geschäftsführerin Giulia Brogini ergänzt: «Jedoch ist klar festzustellen, dass das Zitat und der Flyer als Ganzes negative Stereotype gegenüber Muslime zementiert. Weiter ist die Verwendung von Zitaten, die von Hitler stammen, als unangemessen zu werten.»
Experten sind ganz und gar nicht einverstanden mit Vollenweiders Inserat.
Das verwendete Zitat beginnt mitten im Satz. Liest man es, erhält man den Eindruck, dass der Islam Hitler grossen Eindruck macht und er diesen als positiv wertet. «Das verstehe ich auch so», sagt der Luzerner Geschichtsprofessor Aram Mattioli. «Hitler greift in seinem Statement das Christentum an. Ich gehe davon aus, dass das Zitat nicht korrekt verwendet wurde.» Problematisch sei laut Mattioli überdies, dass Vollenweider den Einleitungssatz des Zitats weglasse. «Das Zitat ist damit aus dem Kontext gerissen und verfälscht wiedergegeben.» Aram Mattioli, Luzerner Historiker Tatsächlich stünde im vorangehenden Satz: «Hätte bei Poitiers nicht Karl Martell gesiegt: Haben wir schon die jüdische Welt auf uns genommen – das Christentum ist so etwas Fades – …» Mattioli sagt: «Damit lässt Vollenweider die Breitseite gegen Judentum und Christentum einfach weg.
«Das Zitat ist damit aus dem Kontext gerissen und verfälscht wiedergegeben.» (Aram Mattioli, Luzerner Historiker)
Zitate, die zur Diskussion führen sollen
Weshalb zitiert Willi Vollenweider im eigenen Wahlkampf solche höchst fragwürdigen Persönlichkeiten? «Ich möchte damit wichtige Diskussionen anstossen. Es geht nicht darum, mit diesen Zitaten meine eigene Meinung kundzutun.»
«Ich bin sicher kein Anhänger der Nazi-Ideologie. Vielmehr schaue ich die Geschichte objektiv an.» (Willi Vollenweider, Zuger Kantons- und Gemeinderat)
Dennoch erwecken die verwendeten Zitate den Eindruck, dass sie ganz im Sinne Vollenweiders sind. «Wenn das jemand denkt, dann hat er diesen Eindruck in den eigenen Gehirnwinden produziert. Ich bin sicher kein Anhänger der Nazi-Ideologie. Vielmehr schaue ich die Geschichte objektiv an. Wir müssen aus der Geschichte lernen können.»
Vollenweider will keine Geschichtsverfälschung Vollenweider betont: «Ich bin alles andere als ein Verharmloser von Hitler. Dennoch ist Hitler für mich nicht allein dafür verantwortlich gewesen, was in Deutschland passiert ist.» Auf den Einwand hin, dass Adolf Hitler durchaus als Drahtzieher für den grössten Genozid aller Zeiten zu verurteilen ist, erwidert der Zuger Politiker: «Dann müssten Sie aber Mao und Stalin im selben Atemzug nennen. Auch sie waren verantwortlich für die Ermordung von Millionen.»
Nicht nur Hitler wird von Vollenweider zitiert. Auch Stalin kommt zum Zug.
Tatsächlich hat Vollenweider in einem Inserat auch den kommunistischen Diktatoren Josef Stalin zitiert. «Ich bin der Ansicht, dass man nicht einfach einzelne Akteure der Geschichte ausblenden kann. Die Behauptungen, die in den überlieferten Zitaten gemacht wurden, müssen doch öffentlich diskutiert werden dürfen. Wir wollen doch keine Geschichtsverfälschung», sagt der Zuger.
«Ich bin überzeugt, dass Europa in zwanzig Jahren islamisiert sein wird.» (Willi Vollenweider, Zuger Kantons- und Gemeindera)
Vollenweider prophezeit den Untergang des Abendlands
Beim Zitat Hitlers, welches der Parteilose verwendet hat, sei es darum gegangen, aufzuzeigen, dass der Islam eine Religion sei, die deutlich besser geeignet sei für den Krieg als etwa das Christentum. «Das spricht leider dafür, dass der Islam siegen wird. Ich bin überzeugt, dass Europa in zwanzig Jahren islamisiert sein wird.»
Deshalb fordert Vollenweider, dass die Schweizer Politik viel deutlicher Stellung beziehen solle gegenüber «der totalitären Staatsdoktrin» des Islam. «Bedenken Sie. Ich habe diese Zitate vor drei Jahren aufgegeben. Damals war noch nichts zu spüren vom islamischen (sic!) Terror, der heute allgegenwärtig ist. Das sind für mich Folgen einer völlig falschen Toleranz.»
Toleranz gegenüber Intoleranz lehne Vollenweider dezidiert ab. Und er schliesst: «Sie bewirkt den Untergang abendländischen Kultur mitsamt all ihren Errungenschaften. Schade. Ich bin diesbezüglich sehr pessimistisch.»
«Es muss zumindest als problematisch angesehen werden, wenn sich Politiker der krankhaft-verwirrten Gedankenwelt des Diktators bedienen.» (Michael Kissener, deutscher Geschichtsprofessor)
Der Mainzer Geschichtsprofessor Michael Kissener, der sich eingehend mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat, verurteilt Vollenweiders Wahlkampfstrategie: «Angesichts des weltweit bekannten verbrecherischen Charakters des NS-Regimes muss es als zumindest problematisch angesehen werden, wenn sich Politiker, ganz gleich wo, im Wahlkampf der Aussagen Adolf Hitlers bedienen und die krankhaft-verwirrte Gedankenwelt des Diktators damit wieder zitierfähig machen.»
Wer christliche Politik fördern wolle, habe in jedem Fall Grund, sich grundlegend von Hitler zu distanzieren, dessen Unrechtsherrschaft die christlichen Kirchen verfolgt hat und langfristig vernichten wollte.
«Es ist meines Erachtens ein absolutes No-Go, dass sich ein Politiker im Wahlkampf auf ein dubioses Hitler-Zitat beruft. Das ist ein besorgniserregender Tabubruch.» (Aram Mattioli, Luzerner Historiker)
Auch der Luzerner Historiker Aram Mattioli ist entsetzt über die verwendeten Zitate: «Es ist meines Erachtens ein absolutes No-Go, dass sich ein Politiker im Wahlkampf auf ein dubioses Hitler-Zitat beruft. Das ist ein besorgniserregender Tabubruch. Peinlich ist, dass Vollenweider offenbar glaubt, damit die ‹richtige› christliche Position zu vertreten.»
Auch die Quelle sei fragwürdig
Nicht nur, dass ein Politiker Hitler zitiert, wird vom Experten als problematisch eingestuft, auch die Quelle des vermeintlichen Hitler-Zitats wird von ihm als unsicher eingestuft.
Googelt man nämlich nach der Quelle des von Vollenweider verwendeten Zitats, wird man auf das Buch «Tischgespräche im Führerhauptquartier» von Henry Picker verwiesen. Kissener erklärt, dass das Buch als problematische Quelle gelte, da es sich dabei um Aussagen Hitlers handle, die nicht in echten Protokollen aufgezeichnet worden seien. Vielmehr handle es sich um nachträgliche, sinngemäss aufgeschriebene Zitate.