Wurden Judith Stamm, Josef Dittli und Edi Engelberger attackiert, weil sie Rechtsextreme von der Rütlifeier ausschlossen? Gestern explodierten bei allen dreien Sprengsätze.
Von Iwan Städler
Um vier Uhr krachte es bei Edi Engelberger in Stans. Im privaten Briefkasten des Nidwaldner FDP-Nationalrats detonierte ein Sprengsatz, der mit einer Zeitschaltuhr gezündet wurde. Nur eine Stunde später kam es auch im Briefkasten des Urner Sicherheitsdirektors Josef Dittli in Attinghausen zu einer Explosion. Einzelne Teile flogen acht Meter weit auf die Strasse.
«Im ersten Moment dachte ich an einen Blitzeinschlag», sagt Dittli. Er sei durch den heftigen Knall geweckt worden und habe dann Rauch beim Briefkasten entdeckt. «Am Boden lagen Reste von Kabel, Batterien und Klebeband – ein Bild, das mir vertraut vorgekommen ist. Es sah fast so aus wie beim Anschlag auf der Rütliwiese.»
Dort war am 1. August – unmittelbar nach der Nationalfeier mit Micheline Calmy-Rey – ein in der Wiese vergrabener Sprengsatz detoniert. Auch jene Explosion wurde durch einen Zeitzünder ausgelöst. Der freisinnige Dittli äusserte damals den Verdacht, dass Rechtsextreme hinter der Tat stünden. Die Rütlikommission und die Urner Polizei hatten deren Teilnahme an der Bundesfeier verhindert.
Stamm bemerkte Explosion erst nicht
Jetzt vermutet Dittli, dass dieselbe Täterschaft bei ihm und bei Edi Engelberger – einem Mitglied der Rütlikommission – zugeschlagen hat. Und wohl auch bei Judith Stamm, die als Präsidentin der Rütlikommission die oberste Verantwortung für die Bundesfeier trug. In ihrem Hauseingang in Luzern ist am frühen Dienstagmorgen ebenfalls ein Sprengsatz detoniert. Nur bemerkte dies Stamm nicht. Erst als ein Nachbar am Nachmittag von den beiden andern Anschlägen hörte, erinnerte er sich an den Knall und stellte beim Hauseingang Detonationsspuren und Rückstände eines Sprengkörpers fest.
Das Ausmass der Sprengladungen sowie der frühe Zeitpunkt der Detonationen deuten darauf hin, dass die Täter niemanden verletzen wollten. Die Anschläge waren wohl vielmehr als Denkzettel gedacht und sollen in erster Linie psychologisch wirken.
Die Rütlikommission verurteilt sie aufs Schärfste. «Wenn es einen Zusammenhang mit dem Rütli gibt – und den gibt es wohl -, ist das sehr, sehr bedenklich», sagt Pressesprecher Martin Hofer. Die FDP glaubt in den Anschlägen einen Versuch zu erkennen, «Freisinnige mundtot zu machen und einzuschüchtern». Die Bundesanwaltschaft müsse nun alle Mittel einsetzen, «um die Terroristen zu ergreifen».
Sie ermittelt bereits wegen des Anschlags auf dem Rütli, da Sprengstoffdelikte der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen. Für die Spurensicherung in Luzern, Stans und Attinghausen wurde auch der Wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich beigezogen.
Politiker werden häufig bedroht
Anschläge auf Politiker kommen in der Schweiz äusserst selten vor – schon gar nicht in mehrfacher Ausführung. Verbale Beschimpfungen und Bedrohungen sind dagegen weit verbreitet. Eine Umfrage der Parlamentsdienste ergab in diesem Frühjahr, dass jeder dritte Bundespolitiker beschimpft, bedroht oder verleumdet wird. Das Spektrum reicht von verbalen Rempeleien bis zu Todesdrohungen gegenüber den Kindern der Politiker.
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