Der Landbote: nyon. Trotz Auftrittsverbot in Frankreich hält die StadtÂregierung von Nyon an der Bewilligung fest. Jetzt verlangt die Westschweizer Koordinationsstelle gegen Antisemitismus, dass die Behörden an allen Auftritten von Dieudonné präsent sind.
Der wegen seiner antisemitischen Äusserungen umstrittene französische «KoÂmiker» Dieudonné M’Bala M’Bala darf wie geplant im Februar und im März in Nyon auftreten. Das teilte die Stadtregierung von Nyon gestern in einem Communiqué mit. «Die SiÂtuaÂtion hat sich entspannt», erklärt auf Nachfrage Olivier Mayor, der Kulturverantwortliche von Nyon.
Im Grunde entschied die Stadtregierung bereits vor Jahren zugunsten der Meinungsfreiheit, als sie 2011 den ersten Auftritt Dieudonnés in Nyon bewilligte. Sie tat dies vor dem Hintergrund eines Bundesgerichtsentscheids, welcher einen Rekurs Dieudonnés gegen ein Auftrittsverbot in Genf gutgeheissen hatte. Seither ist der Sohn einer Französin und eines Kameruners jedes Jahr in Nyon aufgetreten – «ohne ProÂbleme und ohne jeglichen Aufruhr», wie Mayor sagt. Die Behörden von Nyon hätten stets darÂauf geachtet, den Ball flach zu halten und nicht noch Werbung zu machen für einen Künstler, der «zum Teil doch abscheuliche Äusserungen macht». Bis zur jüngsten Polemik in Frankreich über Dieudonnés Solonummer «Le mur» sei auch alles gut gegangen. Mayor sagt: «In ‹Le mur› macht er zum ersten Mal klar antisemitische Aussagen im Rahmen eines Stücks.» In Frankreich folgte denn auch ein Auftrittsverbot nach dem anderen, sodass der Stadtrat von Nyon befürchten musste, das beschauliche Waadtländer Städtchen würde als letztlich einziger Auftrittsort zum Magneten aller Dieudonné-Fans. Inzwischen aber hat Dieudonné in aller Eile ein neues Programm geschrieben und «Le mur» abgesetzt. Mit «Asu Zoa» widmet sich der Künstler nun Afrika; das Stück wurde am Freitagabend erstmals in Paris aufgeführt. Für die Behörden von Nyon war dies ebenso ausschlaggebend wie die mündlich abgegebene Zusicherung von Dieudonnés Schweizer Auftrittsveranstalter, es werde in Nyon keine antisemitischen Äusserungen geben. Mayor versichert, dass die Behörden keinerlei rassistische oder antisemitische Äusserungen tolerieren werden.
«Eine Marketingoperation»
Johann Gurfinkiel, Generalsekretär der Cicad, der Westschweizer KoorÂdiÂnaÂtionsstelle gegen Antisemitismus, Âgenügt diese Zusicherung allerdings nicht. Er verlangt, dass bei jedem der insgesamt zehn geplanten Auftritte von Dieudonné ein Vertreter der Stadt- oder Kantonsbehörden oder gleich ein Vertreter der Justiz dabei ist. Gurfinkiel meint, es sei naiv zu glauben, dass Dieudonné ein neues Programm geschrieben und sich quasi über Nacht zu einem Prediger des Friedens gewandelt habe. «Das ist eine Marketingoperation.» Gurfinkiel kennt die provokativen Auftritte Dieudonnés aus eigener Anschauung. Und er stellt fest, dass der Künstler mit den Jahren in seinen anÂtisemitischen Verunglimpfungen stets radikaler geworden ist. Die Behörden von Nyon böten ihm mit der Vermietung eines Stadtsaals eine politische Plattform und trügen darÂum Verantwortung dafür, dass diese nicht für den Aufruf zu Gewalt und Rassenhass missbraucht werde.
Nyon setzt auf das Publikum
Nach Auskunft von Mayor hat der Stadtrat noch nicht über eine allfällige Präsenz an den Auftritten entschieden. Wie auch immer: Der Kulturverantwortliche zählt auf das Publikum. «Es wird wohl nicht zögern, strafbare Ausfälligkeiten zu melden: Es sitzen ja kaum 400 Rassisten im Saal.» Rassisten? Dieses Etikett weisen die Schweizer Fans von Dieudonné in Gesprächen mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» zurück. Die einen sind politisch bei den Rechtsextremen angeÂsiedelt, die anderen linksintellektuell. Dieudonné breche Tabus, die sonst niemand breche, sagt ein 28-jähriger Grafiker aus Lausanne und fragt, warÂum man sich über Schwarze lustig machen dürfe, über Juden aber nicht. Mit vollem Namen wollen sie sich ebenso wenig nennen lassen wie der Veranstalter in der Schweiz; sie fürchten sich vor Drohungen oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz.
Dieudonné ist innerhalb von sieben Jahren neunmal verurteilt worden. Für Aufruf zu Rassenhass, Diffamierung und Diskriminierung.