Südostschweiz: Ein deutscher Organisator des Neonazi-Konzerts im Toggenburg hat enge Verbindungen zu einem Tattoo-Studio in Jona. Tätowierer und Inhaber wiegeln ab. Doch Bilder auf sozialen Medien sprechen eine eindeutige Sprache.
Das wohl grösste je in der Schweiz durchgeführte Neonazi-Konzert mit rund 5000 Besuchern im Toggenburg wirft derzeit hohe Wellen in Medien und Politik. Gemietet hat die Halle in Unterwasser der deutsche Matthias «Matze» Melchner, der in Rüti ZH wohnt. Gemäss Kennern der rechtsextremen Szene hat er enge Verbindungen zum Tattoo-Studio Barbarossa in Jona.
Verwirrung um Homepage
Dienstagmittag, vor dem Studio an der Joner Allmeindstrasse. Ein mittelgrosser Mann mit Tattoos und Millimeterschnitt öffnet die Tür. Er gibt sich auf Nachfrage als Ondrej «Ondra» Ciporanov zu erkennen. Er ist der Tätowierer im Laden.
Mit Melchner habe er seit Dreiviertel Jahren keinen Kontakt, gibt Ondra an. Dieser habe ihm früher mit organisatorischen Dingen geholfen, weil er noch nicht gut Deutsch gesprochen habe, sagt der gebürtige Tscheche. Melchner sei aber weder Inhaber noch Betreiber des Tattoo-Studios.
Dieses gehört Manuel Rigamonti. Als Einzelfirma ohne Eintrag im Handelsregister. Rigamonti ist daneben Inhaber der Bar «Boomerang» in Jona sowie Teilhaber oder Geschäftsführer von mindestens vier weiteren Firmen. Auch er sagt: «Melchner hat mit dem Tattoo-Laden nichts zu tun.» Er sei zwar ein früherer Kumpel von Ondra, aber nie in der Firma angestellt gewesen. Seltsam wirkt da, dass auf der Homepage beschrieben wird, dass Ondra «mit seinem Kumpel Matze» das Studio am 1. April 2014 eröffnet habe – und dieser Matze, «den administrativen und kommunikativen Part übernimmt».
Damit konfrontiert, zeigt sich Rigamonti überrascht. «Eine solche Homepage habe ich nie in Auftrag gegeben», versichert er. Das müsse Melchner in Eigenregie gemacht haben. Kenntnis hat er dagegen vom Facebook-Account des Tattoo-Studios. Doch auch diesen habe er «nur gelegentlich» angeschaut.
Neben diversen normalen Tattoo-Motiven, die dort gezeigt werden, sind auch mehrere eindeutige Neonazi-Motive abgebildet. Teils sind heikle Stellen gezielt verpixelt. In einem Eintrag vom 27. Dezember 2015 zu Silvester steht: «Wir hoffen ihr habt euer explosives Arsenal […] parat […], immerhin gibt es ja hier mittlerweile immer mehr Mist in Europa zum Wegsprengen … […] Spreng Heil […]!» Bebildert ist der Post mit einem Wehrmachtsoldaten mit Handgranate.
«Das geht nicht», findet Rigamonti. Kenntnis vom Eintrag habe er nicht gehabt. Er vermutet Melchner dahinter, da Ondra «keine Ahnung von Computer» habe. Rigamonti selber gibt an, keinen Zugang zum Facebook-Account zu haben. Ohnehin sei er sich nicht sicher, ob alle Tattoos wirklich in Jona gestochen wurden.
Klar ist: Nach Recherchen der Linksaktivisten Antifa Bern sind auf den Fotos teils bekannte Personen aus der rechtsextremen Schweizer Szene zu sehen. Ebenso würden Neonazis aus Deutschland anreisen, weil Nazi-Symbole in der Schweiz gesetzlich eher toleriert seien. Rigamonti lässt das unkommentiert.
Dass sein Tätowierer eine extrem rechte Einstellung hat, weiss er, sagt aber: «Ich arbeite mit Ondra, weil er super tätowiert. Seine Einstellung ist für mich Privatsache.» Er wisse, dass sich Ondra aus öffentlichen Kundgebungen und Aktionen raushalte.
Schon der Name des Tattoo-Studios ist allerdings Programm. Barbarossa war der Spitzname von Friedrich I., der im 12. Jahrhundert als römisch-deutscher Kaiser herrschte. Zugleich steht der Begriff für den militärischen Überfall von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion.
Offen für fast alles
Darauf angesprochen, lächelt Ondra zwischen der Türangel unschuldig. Er gibt sich offen für alle: «Wenn jemand eine Blume will, tätowiere ich eine Blume.» Ebenso verhalte es sich mit russischen oder deutschen Panzern. Alles, was der Kunde wünscht? «Hakenkreuze tätowiere ich nicht», versichert er.
Hereinlassen will er die beiden Journalisten nicht. Auch ein Foto vom Studio oder von sich lehnt er ab. Zu seiner politischen Einstellung will er sich nicht äussern, versichert aber, dass er nicht am Neonazi-Konzert im Toggenburg teilgenommen habe. «Ich war in Prag.»
Rigamonti kehrte gerade aus Australien zurück. Auf seinem Facebook-Profil deutet nichts auf Rechtsextremismus hin. Dass auch seine «Boomerang»-Bar gerüchteweise ein Treffpunkt Rechtsextremer sei, weist er entschieden zurück. «Unser Publikum ist bunt gemischt», hält er fest. Seit einer Schlägerei mit Skinheads vor vier Jahren habe es keine Zwischenfälle in der Bar mehr gegeben.
Seinem Tätowierer will Rigamonti auch in der Zukunft keine Vorschriften machen. «Ich werde mit ihm aber die Situation besprechen», sagt er.
Matthias Melchner wollte sich auf Anfrage nicht zum Thema äussern.