«Diese Texte machen mir Angst»

Sonntagsblick: Die Schande vom Toggenburg

Corina Eichenberger (62) ist Aargauer FDP-Nationalrätin und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Die Anwältin ist ausserdem Präsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel.

Sie haben den Text gelesen, den die Band Frontalkraft in der Tennishalle von Unterwasser SG sang und den das Publikum mitgrölte. Was sagen Sie zu diesen Zeilen?

Corina Eichenberger: Der Text löst in mir Angst aus. Das Lied hat eine unterschwellige Unheimlichkeit. Mit den Zeilen: «Keine Angst, ihr Volksverräter, keinen werden wir verschonen und rot ist das Blut auf dem Asphalt», fordern die Rechtsextremen deutlich die Anwendung von Gewalt. Dabei richtet sich die Gewalt nicht nur gegen einzelne Personen, sondern gegen uns alle als freie und offene Gesellschaft.

Die Rechtsextremen wollten ja unbedingt verhindern, dass Aufnahmen vom Konzert an die Öffentlichkeit dringen. Handys waren am Anlass verboten. Wie beurteilen Sie die nun trotzdem durchgesickerten Zeilen als Juristin?

Für mich sind die Zeilen ein indirekter Aufruf zu Gewalt. Ohne die Gerichtspraxis zu kennen, denke ich, dass ein Richter nun dringend beurteilen muss, ob die Zeilen gegen den Artikel 259 des Strafgesetzbuches verstossen: Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit. Darauf stehen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Es ist jedenfalls sehr gut, dass Aufnahmen aus dem Konzert nun öffentlich werden.

Gleichzeitig sind Sie Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Fordern Sie nach dem Konzert von Unterwasser eine Verschärfung der Gesetze?

Ich denke, das Problem liegt woanders. Um Veranstaltungen wie die von Unterwasser künftig zu unterbinden, braucht es vor allem eine konsequente Umsetzung des geltenden Rechts. Doch dafür müssen die Behörden, allen voran die Polizei und der Nachrichtendienst, Beweise aus der Konzerthalle sichern. Die Verstösse gegen die Antirassismus-Strafnorm und Aufrufe zur Gewalt, die dort zweifelsfrei begangen werden, müssen zur Anklage gebracht und die Verantwortlichen sanktioniert werden. Erst dann hört dieser Spuk auf.

Reicht das?

Nein. Ich denke, wir müssen zusätzlich auch über eine Erhöhung der Strafmasse sprechen. Offenbar sind diese hierzulande zu tief angesetzt. Ich sage dies nicht nur vor dem Hintergrund des Konzerts von Unterwasser, sondern auch mit Blick auf die sehr aktive Islamistenszene in der Schweiz: Die Strafen für viele Delikte sind für solche Leute zu wenig abschreckend.

INTERVIEW:

«Wir müssen über eine Erhöhung der Strafmasse sprechen»

Corina Eichenberger