Die jüngsten Krawalle im Schweizer Fussball nur einen Monat vor Beginn der Euro 08 haben auch im Ausland Schlagzeilen gemacht. Bilder wie vergangenen Freitag im Basler St. Jakob-Park werde es während den Spielen der Europameisterschaft aber nicht geben, sagt Martin Jäggi, Sicherheitschef der Euro 08.
Einen Monat vor Beginn der EM kommt es bei Fussballspielen in den beiden Austragungsstätten Bern und Basel zu wüsten Ausschreitungen. Wer ein Ticket für die Euro 08 hat, der macht sich Sorgen.
Martin Jäggi: Ich bedaure diese Vorfälle. Meisterschaftsspiele wie jene von vergangener Woche sind aber nicht mit Spielen von Nationalmannschaften vergleichbar.
Wieso nicht?
Jäggi: Bei der Euro 08 sind die Sicherheitsmassnahmen wesentlich umfangreicher als bei Meisterschaftsspielen. Es stehen auch viel mehr Polizisten und private Sicherheitsleute im Einsatz.
Was heisst das konkret: Sind doppelt so viele Polizisten vor Ort?
Jäggi: Das hängt davon ab, ob es sich um Spiele mit besonders auffälligen Fangruppen handelt. In der Schweiz gibt es keine EM-Spiele mit erhöhtem Risiko. Die genaue Zahl der eingesetzten Polizeikräfte geben wir nicht bekannt. Es ist allerdings ein Vielfaches davon wie beispielsweise bei einer Uefa-Cup-Begegnung zwischen einem englischen Team und dem FC Basel. Hingegen müssen wir enorme Fanmassen bewältigen, welche die Nationalmannschaften von Holland, Frankreich, Italien und der Türkei jeweils zu ihren Spielen anziehen.
Warum soll ein Fan einer Nationalmannschaft per se friedlicher sein als ein Anhänger einer Clubmannschaft?
Jäggi: Das Publikum ist anders. Bei Länderspielen ist der Anteil von Frauen und Familien grösser als bei Spielen von Clubs. Das wirkt gewalthemmend. Ausländische Hooligans werden über ein System von vier Filtern von den Spielen ferngehalten. Sie erhalten keine Tickets. In ihren Heimatländern gilt eine Ausreisesperre, für die Schweiz eine Einreisesperre. Schliesslich suchen Szenenkenner aus den Teilnehmerländern in der Schweiz nach Hooligans, die durch die Maschen des Sicherheitsnetzes gefallen sind. In der Schweiz haben wir auch die Möglichkeit, Stadion- und Rayonverbote auszusprechen. Zudem gilt in den Stadien während der EM ? im Unterschied zu Meisterschaftsspielen ? ein Alkoholverbot. Wer zum Stadion gelangen will, der muss zwei Kontrollringe passieren. Ohne Tickets kommt dort niemand durch.
Die Sicherheitskontrollen mögen noch so rigoros sein. Die jüngsten Vorfälle zeigen, dass man trotzdem Feuerwerkskörper ins Stadion schmuggeln kann.
Jäggi: Wie diese Gegenstände ins Basler Stadion kamen, wird derzeit abgeklärt. Die totale Kontrolle gibt es nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass unerlaubt Objekte ins Stadion gelangen, ist an der Euro 08 wesentlich kleiner. Ab Mitte Mai gehen die Fussball-Stadien in Bern, Basel, Genf und Zürich in die Verantwortung des Euro-08-Veranstalters Uefa über. Die Kontrollen der Uefa werden rigoroser sein als in der Schweizer Meisterschaft.
Garantieren Sie, dass es Ausschreitungen wie in Basel und Bern an den EM-Spielen nicht geben wird?
Jäggi: Absolute Sicherheit kann ich nicht garantieren. Aber mit grosser Wahrscheinlichkeit werden wir an der Euro 08 keine solchen Bilder sehen. Das zeigt auch die Erfahrung von früheren grossen Turnieren wie der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Dort ist in den Stadien nichts Gravierendes passiert.
Viele Fans werden aber die Spiele ausserhalb den Stadien, in den Innenstädten verfolgen. Wie steht es dort um die Sicherheit?
Jäggi: Hier muss man unterscheiden. In den Public-Viewing-Zonen ist die Sicherheit dank Absperrung und Eintrittskontrollen relativ gut gewährleistet. Hingegen kann die Polizei die Zugänge vom Bahnhof zu den Fan-Zonen nicht lückenlos kontrollieren. Dort besteht ein Restrisiko. Die Polizeikräfte sind aber darauf vorbereitet.
Wie?
Jäggi: Wir wenden die 3-D-Strategie an: Mittels Dialog Präsenz markieren, damit keine Gefahrenherde auftauchen. Wenn es trotzdem brenzlig wird, versuchen die Polizisten deeskalierend einzugreifen. Und wenn dies nicht hilft, gilt es durchzugreifen, das heisst die Störenfriede aus der Masse der friedlichen Fans nehmen.
Die Polizei wird also an den Spieltagen auch in den Innenstädten mit einem grossen Aufgebot präsent sein?
Jäggi: Nicht nur an den Spieltagen, sondern während der ganzen Euro 08. Dazu stehen Polizisten aus allen kantonalen Korps im Einsatz. In Basel, Genf und Zürich helfen zusätzlich Polizisten aus Deutschland und Frankreich aus.
In den Stadien kommen die Fans der beiden Mannschaften in unterschiedliche Sektoren. In den Innenstädten ist diese Aufteilung hingegen nicht möglich. Da scheinen doch Zusammenstösse unvermeidlich.
Jäggi: Die Aufteilung ist tatsächlich nicht möglich. Da aber die grosse Masse der Fans friedlich ist, bietet dies einen gewissen Schutz gegen Zusammenstösse. Potenzielle Störenfriede haben gar keinen Boden, um aktiv zu werden. Die Situation ist absolut nicht zu vergleichen mit einem Antifa-Abendspaziergang durch die Berner Innenstadt.
Was können die Schweizer Stadionbetreiber tun, um die Sicherheit bei Meisterschaftsspielen zu verbessern?
Jäggi: Dazu möchte ich mich nicht äussern. Aber das Thema wird nach den jüngsten Vorfällen wieder aufs Tapet kommen.
Interview: Christof Forster, Bern