Die Stadt muss ums Image bangen

BernerZeitung

Wird Langenthal wieder vermehrt ein Ziel für Rechtsextreme? Die Polizei sieht dafür kaum Anzeichen. Doch die Behörden wollen Massnahmen ergreifen, um den Ruf der Stadt nicht zu gefährden.

· Anita Zulauf Herbert Rentsch

Über 150 Rechtsextreme der «Partei National orientierter Schweizer» (Pnos) marschierten am Samstag durch das Zentrum von Langenthal. Sie riefen rassistische Parolen und trugen Transparente mit der Aufschrift «Volksgemeinschaft statt Klassenkampf» (wir berichteten).

Rechte stark in Region?

Neu ist, dass rechtsradikale Gruppierungen am 1. Mai demonstrieren. Und: Warum tun sie dies ausgerechnet in Langenthal – in der Stadt, die den 80er-Jahren als Szenetreffpunkt der Rechtsradikalen bekannt war? «Unter anderem, weil unsere Partei in dieser Region relativ stark vertreten ist», sagt Jonas Gysin, Vorsitzender der Pnos. Er erklärt, dass rund 50 der etwa 150 demonstrierenden Rechten aus dieser Region stammten.

Was sagt die Polizei dazu? Gibt es wieder vermehrt rechtsradikale Gruppierungen im Oberaargau? «Das konnten wir nicht feststellen», sagt Hanspeter von Flüe, Polizeiinspektor in Langenthal. «Es ist zwar so, dass sich auf linker und rechter Seite radikalere, politische Meinungen bilden und in der Mitte ein Vakuum entsteht. Aber das ist ein gesellschaftliches und nationales Phänomen», sagt von Flüe.

Gefährliche Situation

Die Langenthaler Polizei wurde vom Aufmarsch der Rechtsradikalen überrascht. «Normalerweise erfahren wir über gewisse Informationsquellen und einschlägige Internetseiten von geplanten Aktivitäten», sagt von Flüe. Nicht so aber dieses Mal.

Die Stadtpolizei besprach sich direkt vor Ort mit den Organisatoren der Pnos, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diese unbewilligte Demo rechtliche Konsequenzen haben kann. Der Marsch der Rechten verlief dann «realtiv friedlich», bis die Rechtsextremen auf die Linksautonomen beim Bahnhof trafen.

Die rund 70 Linken griffen mit Baseballschlägern, Flaschen, Steinen und Eisenstangen bewaffnet und teilweise vermummt die Rechtsextremen an. Es kam zu einer kurzen, aber heftigen Schlägerei. Die Rechtsradikalen bewarfen zudem einen Zug der SBB mit Steinen (siehe Kasten). «Die Situation für die Mitglieder der Stadt- und Kantonspolizei wurde sehr gefährlich», sagt Jürg Mosimann, Pressesprecher der Kantonspolizei Bern. Die Polizisten seien nicht mit der nötigen Ausrüstung und Bewaffnung für solche Einsätze ausgerüstet gewesen. «Die für solche Fälle ausgebildeten Polizeikräfte waren erst auf dem Weg nach Langenthal», so Mosimann.

Verschiedene Personen beider Lager wurden von der Polizei angehalten. Eventuelle Anzeigen wegen dieser Vorfälle und wegen der ebenfalls unbewilligten Demonstration der Linksautonomen am Sonntagabend werden derzeit geprüft.

Käser ist besorgt

«Es gibt mir zu denken, dass wir zweimal Opfer unbewilligter Demonstrationen geworden sind», sinniert Stadtpräsident Hans-Jürg Käser. «Aber für uns ist es schwierig, wenn wir von solch spontanen Aktionen überrascht werden.»

Man werde nun im Gemeinderat besprechen, was geändert und wie präventiv gehandelt werden könne. Denn: «Wir wollen nicht das Image einer Kleinstadt, in der man randalieren kann», erklärt Käser. In Langenthal, sagt der Stadtpräsident, «gibt es keine rechte Szene. Die Leute der Pnos haben in überwiegender Mehrzahl keinen Bezug zu Langenthal.» ·

RECHTE SZENE

Immer wieder in Langenthal

Der Aufmarsch der rechten Szene in Langenthal erinnert an die Ereignisse der 80er-Jahre. Damals litt Langenthal unter dem Image, die Stadt sei Hort von Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit. Langenthal kam in die Schlagzeilen mit Titeln wie: «Jugendbande terrorisiert Tamilen von Langenthal» (Blick) oder «Fremdenhass und Langeweile» (Radio DRS 3).

Laut einer Untersuchung, welche Martin Matter 1993 im Auftrag des Gemeinderates gemacht hat, gehörten 1986/87 gegen 30 Personen zur «Langenthaler Szene». Nur «eine Minderheit» der Skinheads stammte aus Langenthal. Ein grosser Teil reiste jeweils aus den Nachbarkantonen zum Randalieren an.

Lange war Ruhe. Bis am 21. September 2002 rund 30 Skinheads im Lakuz randalierten und vor dem Spital Türken angriffen.

Im Oberaargau wurden 1999 und 2001 Treffen von Neonazis in den Mehrzweckhallen von Wiedlisbach und Dürrenroth bekannt. rbl