Die Rechtsextremisten von einst sind politischer // „Sie schlagen und mit der Nazi-Keule mundtod“

BaslerZeitung

Die Zeiten, als gewalttätige Rechtsextreme im Fricktal umgingen, scheinen vorbei zu sein. Doch nationalsozialistisches Gedankengut ist präsent und kann nicht unter den Tisch gewischt werden (siehe Interview). Der Jugendarbeiter Franz Kohler ruft nach offenen Gesprächen.

Fricktal. Vor gut drei Jahren jagten sich die Berichte über gewalttätige Auseinandersetzungen von rechtsextremen Jugendlichen im Fricktal. Es ist ruhiger geworden. Doch das nationalsozialistische Gedankengut hat sich nicht einfach in Luft aufgelöst. Viele von den einst radikalen, gewalttätigen jungen Leuten sind politischer geworden. Dies bestätigt auch der Mediensprecher des Bundesamtes für Polizei, Daniel Dauwalder: «Gerade in der Nordwestschweiz nimmt die Tendenz zur Politisierung zu.»

Provozieren und sich abgrenzen

Wird das nationalsozialistische Gedankengut unter Jugendlichen verdrängt? Im untenstehenden Interview beklagen sich zwei, dass sie nicht über ihre Einstellung sprechen könnten. Wahrheit oder Einbildung? Der Jugendarbeiter Franz Kohler beschäftigt sich seit Jahren mit rechtsextremistischen Jugendlichen. Er wurde beauftragt, für Basel-Stadt und Baselland die Verbreitung und Entwicklung des Rechtsextremismus unter Schweizer Jugendlichen zu erheben.

«Es ist tatsächlich so, dass die Gesellschaft dieses Thema von sich wegschiebt und schubladisiert, während die Jugendlichen den Dialog suchen und nicht erreichen», sagt Franz Kohler. Wie er weiter ausführt, sind Jugendliche in einem Identitäts-Bildungsprozess. Dazu gehöre, zu provozieren und sich deutlich abzugrenzen. Es gehöre aber auch dazu, sich an politische Themen zu wagen und sich so Struktur zu geben. Das Wort Nationalsozialismus sei an und für sich nichts Anstössiges, es beinhalte lediglich eine positive Grundhaltung gegenüber der Nation. Nun würden aber in unserer Gesellschaft diese appellativen Signale nicht aufgenommen oder die jungen Leute erfahren Ablehnung.

«Zweierlei öffentliche Reaktionen auf rechtsextremistische Umtriebe können beobachtet werden: die Nichtwahrnehmung und die Überzeichnung. Beide Reaktionen sind nun aber geeignet, den Einsatz rechtsextremer Symbole und rechtsextremen Handelns zu stimulieren», sagt Franz Kohler. In beiden Reaktionen, einerseits dem Ignorieren, anderseits dem Überspitzen, sei die gleiche Verhaltensweise enthalten, die die jungen Nationalsozialisten selber an den Tag legen. Genau an diesen Punkten sieht Franz Kohler einiges an Gesprächsbedarf. Die gesellschaftliche Hemmung, sich mit den politischen und ideologischen Ideen dieser «Patrioten» auseinander zu setzen, kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich ist die «Partei national orientierter Schweizer» (PNOS) eine Partei mit extremen Weltanschauungen. Die Mitglieder der PNOS kämpfen «für eine freie und selbstbewusste Schweiz, für den Abbau des Ausländerbestandes und für ein Europa der Vaterländer», steht in ihrer Zeitschrift «Zeitgeist».

Auf die Nationalratsliste

Vertreter der PNOS planen, an kantonalen und nationalen Wahlen teilzunehmen. So will der Alt-Grossrat der Nationalen Aktion, Eric Weber, für einen Nationalratssitz auf der PNOS-Liste in Basel-Stadt kandidieren. Gleich ihm plant PNOS-Präsident Sascha Kunz, sich auf die Liste setzen zu lassen. Auch in Baselland wollte die PNOS politisch mehr Einfluss nehmen. Sie hatte für die Baselbieter Landratswahlen vom 30. März schon Listennummern zugeteilt bekommen, liess die Einreichefrist jedoch ungenutzt verstreichen.

Der politische Kurs tönt sehr extremistisch und rechtsradikal. Auf der parteieigenen Webseite ist viel von Kampf die Rede. Kampf auch gegen den «Unrechtstaat» und die «linke Unterwanderung».

Daniel Dauwalder vom Bundesamt für Polizei sagt dazu: «In den 90er Jahren standen eher Asylsuchende im Kreuzfeuer, heute werden die Fronten zwischen links und rechts aufgeschaukelt.» Gesamtschweizerisch habe sich die Situation der Rechtsextremisten auf relativ hohem Niveau stabilisiert. So seien zwischen 950 und 1000 Mitglieder von rechtsextremen Gruppierungen registriert.

Geschichte nicht verleugnen

Jugendarbeiter Franz Kohler appelliert nun an das gesellschaftliche Verständnis und die Gesprächsbereitschaft: «Jugendliche und junge Erwachsene bedienen sich rechtsextremer Symbole und Embleme, um uns Erwachsene herauszufordern. Hinter dieser Provokation ist ein Bedürfnis zu erkennen, in den Dialog und die Auseinandersetzung zu gelangen.» Seiner Ansicht nach ist die Öffentlichkeit gefragt; lokale Politiker beispielsweise, Fachleute, die in der rhetorischen Auseinandersetzung erprobt seien. Diese sollten einmal mit den Jugendlichen an einen Tisch sitzen und solche Themen besprechen.

Der SP-Grossrat Martin Troller aus Münchwilen zeigt unter Vorbehalten Gesprächsbereitschaft: «Ich hätte keine Mühe, doch wir bekamen nie eine Anfrage.» Falls eine Gesprächskultur herrsche und die Jungen sich selbst bemühen würden, sei er unter einer Voraussetzung zur Diskussion bereit: «Man darf Geschichte, die hundert Mal geschrieben wurde, nicht verleugnen», sagt der SP-Politiker dezidiert.

Der SVP-Ständerat aus Gipf-Oberfrick, Maximilian Reimann, hat da weniger Musikgehör: «Ich will nicht mit Leuten zusammenkommen, die sich mit nationalsozialistischen Gedanken auseinander setzen», sagt er. Der Nationalsozialismus habe Europa derart schweren Schaden zugefügt. «Leute mit solchen Ideen brauchen einen Seelsorger und keine Politiker.»

Franziska Laur

Liebe zur Heimat. Die Heimatgefühle dieser Fahnenschwinger stehen auf einem soliden Fundament. Der Patriotismus junger Nationalsozialisten hingegen mündet oft in Rassenhass und Diskriminierung.

«Sie schlagen uns mit der Nazi-Keule mundtot»

Gewalt von Rechtsextremen im Fricktal war lange Zeit ein Thema. Nun melden sich zwei junge Männer mit nationalsozialistischer Einstellung zu Wort. Sie erklären, von der Gesellschaft an den Rand gedrängt und missverstanden zu werden.

BaZ: Ihr wollt anonym bleiben. Weshalb?

Wir haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass in der Schweiz nicht alle politischen Ansichten toleriert werden. Da wir beide in einer Berufslehre sind, möchten wir damit nicht unsere Arbeitsplätze aufs Spiel setzen.

Wie sieht denn eure Einstellung aus?

Wir vertreten beide eine nationalsozialistische Weltanschauung. Grob gesagt setzen wir uns für einen Staat ein, welcher die Interessen des Schweizer Volkes wahrnimmt. Die Diktatur der Medien und der Grosskonzerne muss abgeschafft werden. Die Wirtschaft soll dem Volk dienen, nicht umgekehrt, wie es heute der Fall ist. Wir lehnen das uns aufgezwungene Multikultur-System ab, die Schweiz muss wieder das Land der Schweizer werden. Daher muss zwingend eine Rückführung aller kulturfremden Menschen in ihr Heimatland stattfinden.

Im Fricktal fällt mir immer wieder auf, dass unter den Rechtsextremen einige sind, die einen ausländischen Elternteil haben. Ist das kein Widerspruch?

Wir bezeichnen uns nicht als «rechtsextrem», unsere Weltanschauung lässt sich nicht in das Links Rechts-Schema einordnen. Dass einige in unseren Reihen einen ausländischen Elternteil haben, trifft auf ein paar wenige Personen zu, diese stammen aber meist aus uns verwandten Kulturen.

Denken viele Jugendliche so wie ihr?

Nein, wir sind momentan eine Minderheit. Doch die schweigende Mehrheit ist mit der Situation auch unzufrieden. Aber anstatt sich mit den Problemen der heutigen Zeit auseinander zu setzen, flüchten viele Jugendliche in die Drogenwelt oder versuchen, sich mit einer «Fun»-orientierten Lebensweise abzulenken.

Rechtsextreme aus dem Fricktal sind öfters in Schlägereien verwickelt. Wie ist eure Einstellung zum Thema Gewalt?

Wir können Gewalt keinesfalls befürworten, sehen aber keinen Grund, die Gewalt dieser so genannten «Rechtsextremen» zu erklären. Die Täter solcher Gewalttaten befassen sich kaum mit Politik und vertreten höchstens eine diffuse Fremdenfeindlichkeit. Die Zunahme der Jugendgewalt in den letzten Jahren bereitet uns auch Sorgen. Es ist aber notwendig, sich Gedanken zu machen, warum heute viele Jugendliche Gewalt anwenden. Das Fernsehen und die fehlende Erziehung der Eltern sind aber bestimmt mit schuld.

Doch wenn ich mir nun eure Ideen anhöre, so erschrecke ich. Sie mahnen mich an das Gedankengut aus dem Dritten Reich.

Diese Reaktion kennen wir von vielen Personen sehr gut. Es ist natürlich einfacher, irgendwelche Vergleiche zur Hitler-Diktatur zu ziehen, als sich sachlich mit unseren Ansichten auseinander zu setzen. Gewiss, wir sind Nationalsozialisten, was aber keinesfalls heisst, dass wir alles gut finden, was Hitler getan hat.

Wenn ich euch recht verstehe, so fühlt ihr euch ausgegrenzt?

Wir fühlen uns nicht nur so, wir werden tatsächlich an den Rand der Gesellschaft gestellt. Es ist doch eigentlich unvorstellbar, dass in der Schweiz anno 2003 Menschen wegen ihren politischen Ansichten und ihrem gesun den Nationalbewusstsein mit dem Gesetz in Konflikt geraten, man könnte meinen, so etwas hat es nur bei den Nazis und in der DDR gegeben. Fast alle lehnen unsere Meinung schon nach dem ersten Wort ab und schla gen uns mit der Nazi-Keule mundtot. Dies ist ein simples Mittel, um uns zum Schweigen zu bringen.