Tagblatt. Der 28-jährige Samuel B. aus Buchs ist Mitglied der rechtsextremen Gruppe Junge Tat. Noch dieses Jahr war er Angestellter des St.Galler Migrationsamtes. Amtsleiter Jürg Eberle sagt, dass nichts dagegen gesprochen habe, B. anzustellen.
Ein Mitglied der Neonazigruppe Junge Tat war bis 2019 Präsident der SVP Buchs und Vizepräsident der Jungen SVP St.Gallen, wie diese Zeitung berichtete. Weitere Recherchen haben nun ergeben, dass Samuel B. (Name der Redaktion bekannt) im vergangenen Jahr für sechs Monate beim Kanton angestellt war – und zwar als Lehrer in einem Asylheim.
Gemäss einem Arbeitszeugnis, das der Redaktion vorliegt, war Samuel B. von Februar bis Juli 2022 in einem befristeten Arbeitsverhältnis im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg (ANZ) in Vilters «als Aushilfekraft in der zentrumsinternen Kinderschule mit einem Pensum von 100 Prozent tätig». B.s Hauptaufgabe, der laut seinem Linked-in-Profil zwischen 2020 und 2021 die Pädagogische Hochschule St.Gallen besuchte, war gemäss dem Zeugnis der «Unterricht der zentrumsinternen Schule von bis zu 15 Kindern der Primar- und Oberstufe aus verschiedenen Ethnien».
Samuel B. verhielt sich unauffällig
Das ANZ ist dem kantonalen Migrationsamt unterstellt. Personen, die im Ausreisezentrum Sonnenberg untergebracht sind, haben «ein rechtskräftig abgelehntes Asylgesuch oder sind ausländerrechtlich aus der Schweiz weggewiesen». Somit haben sie keine Aussicht auf einen rechtmässigen Aufenthalt, wie es auf der Internetseite des Kantons heisst.
Der Leiter des Migrationsamts, Jürg Eberle, bestätigt, dass B. als Lehrer im ANZ arbeitete. Eberle sagt, B. habe das übliche Rekrutierungsverfahren durchlaufen, wobei eine Einwilligung für polizeiliche Abklärungen eingeholt worden sei. B. habe weder Vorstrafen gehabt, noch seien gegen ihn Ermittlungen im Gange gewesen.
«Es sprach nichts gegen eine Anstellung.»
Auch während der sechs Monate seiner Anstellung habe nichts auf eine rechtsextreme Gesinnung B.s hingedeutet, weder Eltern noch Kinder hätten sich über ihn beschwert. Eberle sagt: «Er hat sich nie entsprechend geäussert, sonst hätten wir interveniert.» Im ANZ würden keine politischen Aktivitäten bei der Arbeit akzeptiert.
«Die politische Haltung ist für uns grundsätzlich nicht relevant, solange sie nicht auf die Arbeit durchschlägt.»
«Mitgliedschaft nicht strafbar»
Mehrere Mitglieder der Jungen Tat sind wegen Rassendiskriminierung und illegalem Waffenbesitz vorbestraft. Mit ihren Aktionen drängt die Junge Tat zunehmend an die Öffentlichkeit.
Am 22. Januar 2022, etwas über eine Woche bevor Samuel B. seine Anstellung im ANZ antrat, setzte sich die Junge Tat während einer Demonstration gegen die Coronamassnahmen in Bern an die Spitze des Umzugs und führte diesen an, zusammen mit 30 bis 40 weiteren bekannten Neonazis. Bilder zeigen B., wie er in der ersten Reihe mitläuft und ein Banner trägt. Sie zeigen auch, wie er von der Polizei kontrolliert wird.
Darauf angesprochen, erwidert Eberle, dass die Teilnahme an einer Demonstration kein Verstoss gegen das Gesetz sei, sofern damit keine strafbaren Handlungen verbunden seien. Und auch wenn B. an jenem Tag auffällig geworden wäre, hätte es das Migrationsamt nicht mitbekommen können.
«Ohnehin ist eine Mitgliedschaft bei einer nicht verbotenen Organisation meines Wissens nicht strafbar.»
Ob Eberle B. angestellt hätte, wenn er von dessen Mitgliedschaft bei der Jungen Tat gewusst hätte?
«Diese Frage ist hypothetisch und stellt sich mir daher nicht.»
Keineswegs hypothetisch, jedoch ebenfalls unbeantwortet, bleibt die Frage, warum ausgerechnet Samuel B., der als Mitglied einer Neonazigruppe offensichtlich rassistisches Gedankengut vertritt, als Lehrer in einem Asylheim arbeitete. Denn B. reagierte nicht auf Anfragen der Redaktion.