Im Kanton Zürich gibt es in letzter Zeit wenig rechtsextreme Aktivitäten. Einige Gruppen haben sich offenbar aufgelöst, und die Pnos hat (noch) nicht richtig Fuss fassen können.
Von Ralf Kaminski
Zürich. – Der Extremismusbericht des Bundes listet für den Kanton Zürich sechs rechtsextreme Gruppen auf mit einer geschätzten Mitgliederzahl von total 300 Personen: Nationale Aufbauorganisation (NAO), Nationalkorps Limmattal, Nordisch Zürich, Patriotische Jugend Winterthur, Volkssturm Unterland und Wylandsturm. Doch das war 2003. «Die Liste ist veraltet», sagt Hans Stutz, langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene. «Ich habe von all diesen Gruppen in letzter Zeit nichts mehr gehört. Nordisch Zürich hat vorletztes Jahr noch Veranstaltungen organisiert, seither nichts mehr.» Mitglieder des Wylandsturms stehen laut Stutz am 29. August vor Gericht in Frauenfeld. Sie haben im April 2003 einen 15-jährigen Schüler nach einem Konzert derart zusammengeschlagen, dass dieser lebenslänglich behindert sein wird. «Einer der Täter hat sich in der Untersuchungshaft umgebracht», sagt Stutz.
Doch er warnt davor, falsche Schlüsse zu ziehen: «Nur weil zurzeit keine rechten Gruppen öffentlich auftreten, heisst das nicht, dass es sie nicht gibt – oder die Leute mit dem entsprechenden Gedankengut.» So habe eine neue rechte Band aus dem Zürcher Oberland namens Amok letzten Freitag ein Konzert in der Umgebung von Obererlinsbach AG gegeben – auf Einladung des Plattenversands White Revolution von Sacha Kunz, dem Ex-Präsidenten der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Dieser war 2004 überraschend zurückgetreten; kurz danach stand er laut Stutz wegen Gewaltdelikten vor Gericht.
CD aus Niederhasli soll auf den Index
Gegen ein anderes Plattenlabel, Ulfhednirs Records mit einem Postfach in Niederhasli, laufe derzeit in Deutschland ein Verfahren, sagt Stutz. Es hat die CD «Eidgenössischer Widerstand» der Schweizer Rechtsrockband Indiziert herausgegeben. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien will die CD nun in Deutschland auf den Index setzen, da die Texte an die nationalsozialistische Rassenlehre anknüpften und zu einem gewaltsamen Vorgehen gegen Ausländer aufriefen.
Überhaupt läuft in der rechtsextremen Szene viel über Musik. Laut Guido Balmer, Mediensprecher des Diensts für Analyse und Prävention (DAP) in Bern, gab es auch im Kanton Zürich einige Skinheadkonzerte. Zudem kam es im März zu kleineren Scharmützeln mit Linken in Winterthur. Insgesamt aber ist es im Kanton Zürich laut Balmer eher ruhig verglichen mit anderen Kantonen. Von den im Extremismusbericht aufgelisteten Gruppen hat auch der DAP schon länger nichts mehr gehört – einzelne Exponenten seien aber durchaus noch aktiv, sagt Balmer.
Die Pnos, die ernsthafte politische Ziele verfolgt und den Auftritt der Rechtsextremen auf dem Rütli am 1. August mitorganisiert hat, ist in Zürich bisher nicht präsent. Laut Generalsekretär Rudolf Huber hat die Partei zwar «30 bis 60 Mitglieder» – die meisten in der Agglomeration Zürich und im Oberland -, doch sei darunter niemand, der sich öffentlich exponieren wolle oder Führungsaufgaben übernehmen könne. Parteipräsident Jonas Gysin ergänzt, dass eine Sektion in Zürich nur dann ein Thema sei, wenn «wir Leute haben, die wir der Öffentlichkeit zeigen und auch als Kandidaten bei Wahlen aufstellen können».
Lose Gruppen, viele Namenswechsel
Pnos-Sektionen gibt es bisher im Aargau, in Bern, Solothurn und Freiburg. Laut Huber hat die Partei rund 200 Mitglieder und wachse «dank der Gratiswerbung der Medien» derzeit stetig. Der Extremismusbericht gibt die Mitgliederzahl Ende 2003 mit 130 an. Gysin relativiert den Zuwachs allerdings: «Die Frage ist, ob das die richtigen Leute sind.» Manche, die auf Grund der Berichterstattung über den 1. August beigetreten seien, würden wohl nächstes Jahr schon nicht mehr dabei sein, wenn sie merkten, dass es bei der Pnos nicht um Saufen und Grölen gehe.
Weshalb es im Kanton Zürich so ruhig ist, kann niemand richtig erklären. Die rechte Szene ist laut Stutz derzeit vor allem im Mittelland aktiv, in einem Viereck zwischen Zürich, Luzern, Bern und Solothurn. Und sie sei auf dem Land, in Kleinstädten und in Agglomerationsgemeinden schon immer stärker gewesen als in den grossen Städten, wo sich eher die Linksextremen sammelten. Diese Trennung ist heute laut Balmer aber nicht mehr so klar: «Es findet eine Vermischung statt.»
Das plötzliche Verschwinden der Zürcher Gruppen ist allerdings wenig überraschend: «Die Szene besteht aus vielen kleinen Gruppierungen, die meist nicht strukturiert sind, nur lose zusammenhalten und häufig Zusammensetzung und Namen wechseln», heisst es im Extremismusbericht. Und die Mitglieder sind jung, zwischen 16 und 22 Jahren, und vor allem männlich. Jürg Frischknecht, ein anderer Kenner der rechten Szene, sagt, dass die Mitgliedschaft oftmals eine fast schon pubertäre Phase sei. «Man ist auf der Suche nach seiner Identität und nach etwas, das die Erwachsenen zuverlässig ärgert.» Doch sobald eine Freundin auftauche, sage die schnell: «Die Gruppe oder ich.»