Eine neue Generation von Rechtsradikalen etabliert sich mit sanften Tönen. Die alte Garde unterstützt sie kräftig und sorgt für die Vernetzung – bis weit in die politischen Parteien des Kantons Bern.
Otto Hostettler
Die Bildmitteilung auf dem Handy hätte eindeutiger nicht sein können:Neben dem Hakenkreuz stand die Abkürzung für «Heil Hitler». Doch Handybesitzer und Holocaustleugner Bernhard Schaub aus Kreuzlingen, einer der wohl einflussreichsten Rechtsextremen der Schweiz, hatte auch andere Mitteilungen auf seinem Handy nicht mehr löschen können, bevor es ihm aus seinem Auto gestohlen wurde. Antifa-Aktivisten hatten das Handy, Schaubs Adressbuch und seine Agenda geklaut, als er im August in Hasle-Rüegsau Exponenten der Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) treffen wollte. Abschriften der im Handy gespeicherten Nummern und Mitteilungen sowie Kopien des Adressbuches – die dieser Zeitung anonym zugespielt wurden – lassen keinen Zweifel an der Authentizität der Informationen.
Aufschlussreich ist neben den Telefonlisten vor allem das Adressbuch von Schaub. Er wirkt quer durch die ganze Schweiz als Drehscheibe – mit besten Kontakten zu deutschen Kameraden und mehreren deutsch-nationalen Organisationen. In der Schweiz hat er die Napo (Nationale Ausserparlamentarische Opposition)lanciert. Mitglied der Partei National Orientierter Schweizer ist er aber explizit nicht, auch wenn er als deren Vordenker gilt (PNOS-Selbstdefinition: «radikal -national – sozial»).
Der Nationalrat
Schaubs Adressbuch mit über 300 Einträgen (inklusive Handynummern) listet neben der PNOS-Führungsgilde um den Basler Jonas Gysin etwa die unverbesserlichen (und verurteilten) Auschwitzleugner und Rassisten Jürgen Graf (Minsk/ Weissrussland) und Gaston-Armand Amaudruz auf, aber auch eine ganze Reihe Personen aus dem Kanton Bern. Darunter etwa Nationalrat und Schweizer Demokrat Bernhard Hess (von Schaub als «Benno» bezeichnet). Hess, der gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, sagte kürzlich dem «Bund», er kenne Schaub und sei «Duzis» mit ihm. Doch er betonte, nie den Holocaust geleugnet zu haben. Gegenüber der «SonntagsZeitung» gab Hess zu, zweimal Veranstaltungen der völkisch-heidnischen Avalon-Gesellschaft besucht zu haben. Kern dieser Gruppe sind der zum Islam konvertierte Achmed Huber aus Muri und der Worblaufner Rechtsextremist Roger Wüthrich – beide ebenfalls in Schaubs Adressbuch.
Laut Huber erörtert Avalon regelmässig die «germanisch-keltische Religion». Huber spricht über Hess von «meinem Freund Benno» und beziffert die Zahl der Teilnehmenden auf «manchmal 7, manchmal 20 Personen. An einer Sonnenwendefeier seien es aber auch mal 150. Der rührige alt SPler nimmt die Avalon-Teilnehmer in Schutz und meint lachend: «Ich mache ihnen immer klar, dass Neonazi ein Blödsinn ist. » Er stelle bei Jungen einfach eine «allgemeine Rückbesinnung auf Heimat und traditionelle Werte fest».
Die einstigen Flüchtlinge
Bei Avalon gelegentlich mit dabei ist auch Jurij Schmidt. Zusammen mit seinem Bruder Peter Hadjidimitrov sind die beiden ebenfalls im Adressbuch des Rechtsextremisten Schaub aufgeführt. Beide kamen in den 70er- Jahren als bulgarische Flüchtlinge in die Schweiz. Der heute 55-jährige Schmidt nahm den Namen seiner Frau an und hat in Lyss eine Arztpraxis. 1995 geriet Schmidt in die Schlagzeilen, als der ärztliche Bezirksverein ihn nicht aufnehmen wollte. Der Grund war Schmidts «Hobby», die Geschichte. Er äusserte mehr oder weniger offen Zweifel an der Existenz der Gaskammern im Dritten Reich und engagierte sich im Vorfeld der Abstimmung zum Antirassismusgesetz für Revisionisten.
Zusammen mit seinem Bruder Peter Hadjidimitrov (Zahnarzt in Wabern) halfen er einst, in Bern eine Revisionisten-Tagung zu organisieren. Hadjidimitrov selbst vertrieb Videokassetten eines Auschwitz-Leugners und sorgte später erneut für Aufsehen:Er heiratete die bulgarische Botschafterin in Bern, Elena Kirtcheva, und erlangte dadurch diplomatische Immunität. Doch seine Weltanschauung veranlasste die bulgarische Regierung, ihre Frau in Bern zurückzubeordern (inzwischen sind sie geschieden).
Der Nationalratskandidat
In Schaubs Adressbuch findet sich aber auch der in Forst wohnhafte Martin Frischknecht, der mit seiner Gesundheitspartei in den Nationalrat möchte. Frischknecht gehörte einst den Schweizer Demokraten an und nahm Hörkassetten auf («Das Hitler-Projekt»), die über das SD-Sekretariat vertrieben wurden. Heute betont Frischknecht: «Ich bin kein Extremist. » Was ihn interessiere, sei die Gesundheit. «Ich bin weder links noch rechts, ich bin normal. »
Doch auch Frischknecht wird seine Vergangenheit nicht recht los. Vor Jahresfrist trat er bei der PNOS als Redner auf – vor rund 150 Personen. Das Thema:Gesundheit. Er habe den PNOS-Zuhörern versucht, klarzumachen, dass man nicht «gegen etwas» sein könne, sondern «etwas für die Menschheit tun» müsse. Er kämpfe deshalb auch nicht gegen das Gesundheitswesen, sondern dafür. «Ich habe Ideen entwickelt, da würde die Pharmaindustrie zittern, wenn sie es wüsste. » Frischknecht bezeichnet sich selbst als «weltweit erster Mensch, der Hepatitis C heilen kann». Er richte einfach die Moleküle neu aus, «wie ein Kristall».
Die Jungpartei
Auch wenn Nationalrat Hess jüngst die Beziehung zu Holocaustleugner Schaub herunterspielte. Der Kontakt zwischen Schweizer Demokraten und dem äussersten rechten Rand funktioniert:So verteilten kürzlich Sympathisanten der vor allem im Raum Burgdorf/Bern aktiven Nationalen Offensive SD-Werbematerial. Und der wirblige Adrian Moser aus Aarberg, Kassier der Jungen Schweizer Demokraten (JSD) und Nationalratskandidat, hinterliess auf der Homepage der NO Spuren. Im Gästebuch warb er mit seiner Aarberger Postfachadresse bei «allen national denkenden stimmberechtigten Leuten» für die rechte Jungpartei und bedankte sich bei der NO «für die Unterstützung in den letzten Jahren».
Die Entwarnung der Polizei
Die Verschiebung der rechten Szene in etablierte Kreise stellt auch die Kantonspolizei fest. «Einzelne Gruppen möchten sich als politische Kräfte etablieren», schreibt das Polizeikommando in einer Stellungnahme. Dabei nennt sie neben der PNOS (mit ihrer Postfachadresse in Aefligen) auch die Nationale Offensive. Der Polizei seien zurzeit knapp 200 Rechtsextremisten und Skinheads mit Wohnsitz im Kanton Bern bekannt. Gewalttätige Auftritte seien «wesentlich zurückgegangen», ebenso Aktivitäten, die auf provokative Publizität ausgerichtet seien. Fazit: «Der Rechtsextremismus bildet im gegenwärtigen Zeitpunkt keine grosse Gefahr für die öffentliche Sicherheit. »