Deutsche Firmen versenden rechtsextremes Propagandamaterial in die Schweiz. Die eidgenössischen Behörden unternehmen nichts, kassieren aber die Mehrwertsteuer. Der Zustand könnte andauern: Ein Gesetzesentwurf zur Lösung des Problems ist umstritten.
ISo Ambühl
Die Schweizer Behörden schauen zu, wie sich in Postzollämtern rechtsextremes Propagandamaterial aus deutschen Versandfirmen anhäuft: Rudolf-Hess-Postkarten, Aufnäher wie Reichsadler oder verkappte Heil-Hitler-Parolen in Form der Zahl 88 (der achte Buchstabe im Alphabet ist das H), T-Shirts mit Parolen wie Sturmwehr, Fahnen, Gurtschnallen, Jacken, Tarnkappen, Bücher oder zahlreiche CD rechtsextremer Bands mit so absonderlichen Namen wie «Sturmtrupp», «Blutrausch», «Triebtäter», «Endstufe» oder «Zyklon B».
«Es ist unglaublich widerlich, was an Musik und Emblemen über die Grenze kommt», sagt die grüne Nationalrätin Cécile Bühlmann, Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus: Die CD-Songs seien ein Aufruf zu Hass und Gewalt. Detaillierte Zahlen über den Versand derartiger Artikel fehlen. «Mit dem markanten Anstieg von Skinhead-Aktivitäten nahm auch der Handel mit rechtsextremen Materialien – besonders die Einfuhr von Tonträgern – erheblich zu», sagt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. Die Bestellungen erfolgen über Prospekte oder über das Internet bei rund 60 deutschen Verlagen und Versandfirmen wie «Aufruhr», «Wikinger», «Rocknord» oder «Patria». Weitere einschlägige Firmen existieren in Griechenland, Dänemark, England, Holland, Polen, Südafrika, Schweden oder den USA. CASH schätzt, dass pro Jahr Waren im Wert von mindestens 150 000 Franken allein aus Deutschland durch den Postzoll gehen: Der Schweizer Zoll kassiert 7,6 Prozent Mehrwertsteuer, die Post pro Sendung eine Taxe von zehn Franken.
«Wir liefern täglich in die Schweiz», heisst es bei der Patria-Versand GmbH im deutschen Landshut. Eine Spezialität der Versandfirma ist die deutsche Kleiderlinie Consdaple. Lange Jahre war in rechtsextremen Kreisen die britische Kleiderlinie Lonsdale ein Markenzeichen der Gesinnung. Im Wort Lonsdale ist die Buchstabenfolge NSDA enthalten, in Anspielung auf Hitlers verbrecherische Staatspartei NSDAP. Als sich Lonsdale gegen diese Vereinnahmung wehrte, gründeten deutsche Rechtsaussen die neue Marke Consdaple, deren Namen so das ganze Wort NSDAP enthält.
Die Kleiderlinie (siehe Ausriss) hat Anfang Oktober das Oberlandesgericht im deutschen Hamm beschäftigt: Ein Mann, der ein schwarzes Consdaple-Sweatshirt getragen hatte, wurde freigesprochen. Massgeblich sei, dass unbefangene Dritte das verbotene NSDAP-Kennzeichen der Marke nicht ohne weiteres erkennen würden.
«Nach heutigem Recht kann zu Gewalt aufrufendes Propagandamaterial von den Polizei-, Zoll- und Grenzwachtbehörden mit Blick auf ein rassendiskriminierendes Delikt bei der blossen Einfuhr nicht beschlagnahmt werden, wenn es sich nur um Einzelstücke handelt», sagt Urs von Daeniken, Chef des präventiven Staatsschutzes. Hier fehle der Grundverdacht, dass damit in der Öffentlichkeit Propaganda betrieben werde. Die Antirassismus-Strafnorm des Strafgesetzbuches erfasse zwar auch rassistische Propaganda. Das betroffene Material könne aber grundsätzlich nur im Rahmen eines Strafverfahrens und in der Regel erst nach der Verurteilung eingezogen werden, betont von Daeniken.
Um den Kampf gegen Rassismus, Gewaltpropaganda und Hooliganismus aufzunehmen, hat Bundesrätin Ruth Metzler im Februar neue Regelungen vorgeschlagen. So soll rechtsextremes Propagandamaterial künftig konsequent eingezogen werden können. In der Vernehmlassung wurde das Massnahmenpaket (siehe Box) kritisiert: In linksgrünen Kreisen wird befürchtet, dass ein erstarkter Staatsschutz den Fichenstaat wieder aufleben lässt.
Im Prospekt des deutschen Patria-Versandes (Ausriss) zeigen Models in eindeutigen Posen die Kleiderlinie Consdaple, mit der entsprechend Gesinnte sich eindecken können.
Kritische Töne gegen die Vorlage
Die gesetzlichen Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda sehen vor allem zwei Stossrichtungen vor: Die Antirassismus-Bestimmung im Strafgesetzbuch soll ergänzt werden, andererseits sollen rassistische und gewaltverherrlichende Propaganda sowie Hooliganismus präventiv bekämpft werden. Nazisymbole wie das Hakenkreuz sollen künftig strafrechtlich verfolgt werden. Im Bereich Propaganda soll Material gemäss neuen Bestimmungen im Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) konsequent verwaltungsrechtlich beschlagnahmt werden. In der Vernehmlassung verlangten die bürgerlichen Parteien, dass auch der Linksextremismus berücksichtigt werde. Linksgrüne Kreise wehrten sich gegen mehr Kompetenzen für den Staatsschutz und befürchten einen neuen Fichenstaat. Die Vorlage wird möglichst noch in diesem Jahr dem Bundesrat vorgelegt. Die Botschaft ans Parlament soll 2004 erfolgen.