Der Landbote: Geschichte Ein neues Buch beleuchtet das Leben und den Wandel Hans Kläuis. Der 1992 verstorbene Lokalhistoriker und Kulturpreisträger war Antisemit und Gauführer, ein begeisterter Anhänger Hitlers.
Drei dicke und gehaltvolle Bücher von Hans Kläui stehen in der Redaktionsbibliothek des «Landboten» und wohl auch in mancher Winterthurer Bürgerstube. «Die Geschichte von Oberwinterthur im Mittelalter» erschien 1968 und gilt bis heute als Standardwerk. Drei Jahre später lieferte Kläui die «Geschichte von Oberwinterthur, Band II» ab. Und 1993, ein Jahr nach seinem Tod, erschien «Seen im Mittelalter».
Alle drei Bücher sind erschienen als sogenannte Neujahrsblätter der Stadtbibliothek. Schon 1964 war er, der in Oberwinterthur wohnte, vom Stadtrat geehrt worden mit der Anerkennungsgabe der Stadt Winterthur. Kläui hatte am Lebensende 275 Titel auf seiner Publikationsliste, auch für den «Landboten» und vor allem für die «Zürcher Chronik» hatte er Artikel geschrieben.
In den 1930er- und 40er-Jahren hatte Kläui andere Publikationen mit seinen Schriftkünsten bedient: den «Eisernen Besen», «Die Front», den «Grenzboten», die «Nationalen Hefte». Er hetzt darin gegen Juden, beschwört die Volksgemeinschaft und hat das ganze braune Vokabular drauf.
«Judenjüngel unterrichten»
Nicht selten schimmert durch, dass Kläui, der studierte Sprachwissenschaftler, frustriert und enttäuscht ist, dass er keine ihm entsprechende Stelle bekommt. So schreibt er 1936: «Ist es nicht ein Skandal, wenn an einer Mittelschule ein Ostjude Schweizergeschichte erteilen darf, während geborene Schweizer in Privatinstituten um kärglichen Lohn Judenjüngel unterrichten müssen?»
Kläuis Wurzeln liegen in Berg und Flaach. In Berg war er 1906 geboren worden, die Kindheit und Jugend erlebte er in Flaach, wo sein Vater Pfarrer war. Es folgten die Industrieschule Winterthur (mit Maturität mathematischer Art) und das Romanistikstudium samt Dissertation in Zürich. «Die Bezeichnungen für ‹Nebel› im Galloromanischen» hiess seine Doktorarbeit, die 1930 erschien und als «eine der reifsten Dissertationen» gelobt wurde.
Ortsgruppen- und Gauleiter
Trotzdem kommt Kläuis berufliche Karriere nicht voran. Er vikarisiert und übernimmt Stellvertretungen in der Volksschule, unterrichtet in Rüdlingen, Thayngen und Neuhausen, doch wird er im Rahmen eines Wahlverfahrens als nicht wählbar befunden.
Der Herr Doktor lebt 1933 wieder im elterlichen Pfarrhaus in Flaach und entdeckt eine neue Begabung: die als rechter Schreiber, Redner und Frontist. Im Herbst 1933 wird «Kamerad Hans Kläui» zum Ortsgruppenführer in Flaach gewählt, Anfang 1934 wird die «Zellenorganisation geschaffen und ein Harst gebildet». Man trägt graue Parteihemden.Vier Jahre später hat sich Kläui in der Organisation hochgearbeitet und wird zum Gauführer der Nationalen Front St. Gallen ernannt.
«Literarische Recherche»
Detailreich und genau hat der 45-jährige Zürcher Lehrer und Autor Daniel Gut die «Geschichte des Schweizer Frontisten Hans Kläui» aufgearbeitet und vor kurzem unter dem Titel «Neidkopf» im Verlag Elfundzehn herausgegeben. Er nennt es eine «literarische Recherche», was heisst: Die historischen Fakten packt Gut in eine zum Teil recht persönlich gefärbte Geschichte. Das tut dem Buch nicht nur gut, aber macht es flüssig lesbar. «Neidkopf» ist kein literarischer Wurf, aber ebenso wenig trockene Geschichtsschreibung. Vor allem aber bringt Gut ein dunkles Kapitel Schweizer Geschichte ans Licht, das man gerne verschwieg oder kleinzureden versuchte.
Als Kläui als angesehener kompetenter Lokalhistoriker starb, hiess es im Nachruf im Winterthurer Jahrbuch 1993 unter anderem: «Ein durchaus integrer, ja grundanständiger Mensch vertrat aus seiner Sicht heraus mit vollem Recht bestimmte konservative Positionen und geriet damit unvermerkt in die Nähe der sogenannten Erneuerungsbewegungen. (…) Später erst wurde er inne, in welch fatale Gesellschaft er dabei geraten war.»