Neue Luzerner Zeitung vom 06.06.2011
Nun kommt Schwung in die Rütlidiskussion: Eine CVP-Nationalrätin fordert, dass künftig alle Parteien aufs Rütli dürfen. Die Rütliverwalterin begrüsst die Diskussion.
Lukas Scharpf
Der unerlaubte Rütlirapport der SVP schlägt hohe Wellen. 70 Mitglieder des SVP-Zentralvorstandes, alt Bundesrat Christoph Blocher und Verteidigungsminister Ueli Maurer zogen am 27. Mai auf die symbolträchtige Wiese – und verstiessen damit gegen geltende Regeln.
Denn auf dem Rütli dürfen keine parteipolitischen Anlässe stattfinden. Dies musste auch die CVP zur Kenntnis nehmen, die auf dem Rütli einen Anlass durchführen wollte. Die Verwalterin des Rütlis, die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), empfahl der CVP, keinen Antrag zu stellen. Er wäre abgelehnt worden.
Die Rütlieroberung durch die SVP und der Unmut in der CVP befeuern nun die Diskussion um Sinn und Unsinn der aktuell geltenden Rütliregeln. Die Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann will darum diese Regeln ändern. «Die Parteien sollen auf das Rütli dürfen», sagt Glanzmann. Sie gehörten schliesslich auch zum Volk. «Ich werde nun bei den anderen Parteien anklopfen, damit wir das gemeinsam ändern können.»
Glanzmann glaubt, dass das Anliegen breite Unterstützung findet. Schliesslich sei es im Sinne aller Parteien. Ihr Ziel sei es, vorerst mit der SGG das Gespräch zu suchen, aber sie würde ebenfalls einen Vorstoss im Parlament unterstützen.
Glanzmanns Vorschlag stösst bei der SVP auf offene Ohren. «Von mir aus könnten schon morgen alle aufs Rütli, die sich würdig verhalten», sagt der Luzerner SVP-Nationalrat Josef Kunz. Er und mit ihm alle SVP-Räte, dessen sei er sich sicher, würden den Vorschlag Ida Glanzmanns unterstützen.
Offen für alle, auch für Parteien
Und wie reagiert man bei der SGG auf dieses Ansinnen? Das Rütli solle allen Menschen in der Schweiz ein Zuhause sein, sagt der Geschäftsleiter der SGG, Herbert Ammann. Gerade darum würden parteipolitische Anlässe nicht bewilligt. «Denn diese vertreten immer nur einen Teil der Bevölkerung.»
Trotzdem sei es ein diskutabler Vorschlag, dass künftig auch Parteien aufs Rütli dürften. «Ich befürworte eine politische Diskussion dazu», sagt Ammann. Dann müssten sich die Politiker wirklich auch fragen, was das Rütli denn für die Schweiz bedeute. «Für einmal sollten sie aus ihrem Partikulardenken ausbrechen und an unsere gemeinsamen Wurzeln und die Zukunft denken.»
Die SGG verwaltet die Rütliwiese zuhanden des Bundesrates. «Wenn das Parlament einen Vorstoss zum Thema beschliesst und der Bundesrat uns bittet, ihn umzusetzen, hätte die SGG keinen Anlass, nicht mitzumachen», sagt Ammann. Er wünschte sich sogar, dass National- und Ständerat bei wichtigen Entscheiden zur Zukunft der Schweiz auf dem Rütli tagen würden. «Wenn die Parlamentarier sich auf den Geist des Rütlis besinnen könnten, gäbe es vielleicht weniger parteipolitisches Hickhack», so Ammann.
Die Angst vor Extremisten
Er stellt zum Vorschlag Glanzmanns aber auch Fragezeichen. «Im Sinne der Gleichberechtigung müssten alle Parteien auf dem Rütli zugelassen werden. Zum Beispiel auch eine rechtsextreme Pnos.» Das dürfe man bei der ganzen Diskussion auf keinen Fall unterschätzen. Ähnlich klingt es aus dem FDP- Lager. «Ich warne davor, dass dann auch extremistische Parteien auf das Rütli gehen würden», sagt der Luzerner FDP-Nationalrat Georges Theiler. Man solle die 1.-August-Feiern mit der massiven Präsenz der Rechtsextremen nicht einfach vergessen. «Extremismus darf natürlich nicht zugelassen werden», sagt Ida Glanzmann dazu. Man müsse im Detail schauen, wie man sich davor schützen könne.
Gar keinen Handlungsbedarf sieht die Urner Nationalrätin und FDP-Fraktionschefin Gabi Huber. «Das Rütli ist einer der wenigen identitätsstiftenden und neutralen Orte der Schweiz. Ich fände es unerträglich, wenn das Rütli verpolitisiert würde.» Man solle alles so lassen, wie es sei, sagt Huber.
Toni Brunners Entschuldigung
Bleibt noch der Brief der SGG an SVP-Parteipräsident Toni Brunner. Die Gesellschaft fordert bis am Mittwoch eine Stellungnahme und eine Entschuldigung der SVP für den unerlaubten Rütlibesuch. Wie Brunner gestern in unserer Zeitung bekräftigte, komme ihm eine Entschuldigung nicht im Traum in den Sinn. SGG-Geschäftsleiter Ammann meint dazu: «Wir erwarten eine Reaktion bis am Mittwoch. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass sich im Zentralvorstand der SVP eine Mehrheit findet, die zum Anstand zurückkehrt.»
Die SVP ist derweil zum Angriff gegen die SGG übergegangen. Sie sei es, die das Rütli verpolitisiere, sagte Toni Brunner in unserer Zeitung. SVP-Nationalrat Kunz fügt an: «Von mir aus gesehen braucht es diese Gesellschaft nicht.» Nach seinem Wissen seien ihre Kompetenzen nie im Parlament behandelt worden. «Zuständig ist von mir aus nur die Eidgenossenschaft. Das Rütli gehört allen.»