Neue Luzerner Zeitung vom 23.9.2010
Das Urner Landgericht hatte vor einem Jahr ein Führungsmitglied der rechtsextremen Szene verurteilt. Jetzt stand der Berner wieder vor dem Richter.
Markus Zwyssig
«Man kann es drehen und wenden wie man will, die Vorwürfe sind nicht gerechtfertigt», ereiferte sich der Anwalt des Berufungsklägers gestern vor dem Obergericht. Er forderte, seinen Mandanten, ein führendes Mitglied der rechtsextremen Szene, vom Vorwurf der Rassendiskriminierung und der Nachtruhestörung freizusprechen.
Applaus für Holocaust-Leugner
Der Fall liegt drei Jahre zurück: Der heute 31-jährige Berner hatte am 5. August 2007 auf dem Rütli vor rund 300 Gleichgesinnten eine Rede gehalten. «Wir leben in einer Zeit, in der die Lüge regiert», so der Berner. Und weiter: «Das Antirassismusgesetz wurde nur dafür installiert, um eine geschichtliche Lüge zu stützen.» Zudem nahm er Bezug auf einen vor ihm sprechenden Westschweizer, der bereits als Holocaust-Leugner verurteilt worden ist. «Wenn man bedenkt, was er alles durchmachen musste, um für die Wahrheit zu kämpfen, danken wir ihm nochmals mit einem kräftigen Applaus», forderte er die Menge auf.
In der Rede sei nichts Rassendiskriminierendes zu finden, so der Anwalt des Berners. Das Gericht habe nicht über den angeblichen Holocaust-Leugner zu befinden. Das Antirassismusgesetz verletze die Meinungsfreiheit und sei zu Recht umstritten. Zudem hätten sich auf dem Rütli nur Gleichgesinnte getroffen. Abgesehen von den anwesenden Polizisten habe es sich um eine geschlossene Gesellschaft gehandelt.
Duzfreund einschlägig bekannt
Der Staatsanwalt stellte sich hinter das Urteil des Landgerichts Uri. Er forderte wie dieses eine bedingte Geldstrafe von acht Tagessätzen à 100 Franken und eine Busse von 200 Franken. Der Angeklagte habe um die Verurteilungen seines Duzfreundes gewusst. In rechtsextremen Kreisen sei mit geschichtlicher Lüge häufig der Holocaust gemeint. Der Mann könne sich nicht auf Meinungsäusserungsfreiheit berufen. «Die Veranstaltung war öffentlich», so der Staatsanwalt. «Auf dem Rütli befanden sich auch unbeteiligte Besucher.»
Nachtruhe gestört
Auch im Falle der Nachtruhestörung folgte der Staatsanwalt der Argumentation des Landgerichts. Im Bernischen soll der Angeklagte am 28. Dezember 2007 zusammen mit Kollegen die Nachtruhe gestört und morgens um 4.30 Uhr «Sieg heil!» gerufen haben. Für das Landgericht Uri ist die Nachtruhestörung erwiesen, nicht aber die Rassendiskriminierung. Das Dispositiv wird den Parteien in den nächsten Tagen schriftlich zugestellt.