Es gibt junge Rechtsradikale, die mit ihrer Vergangenheit brechen. Doch die meisten bleiben später für rechtes Gedankengut empfänglich, sagt eine Basler Studie.
ap/sda/red. Nur eine Jugendsünde? Nein, lautet das Fazit einer gestern vorgestellten Nationalfonds-Studie der Universität Basel. Rechtsextremismus sei nur selten auf eine vorübergehende pubertäre Phase zurückzuführen. Junge Rechtsradikale, die sich von der Szene und von der Gewaltbereitschaft distanzierten, änderten ihre Gesinnung kaum und verbleiben in der Regel am rechten Rand des politischen Spektrums. Darum könne nicht von einem wirklichen Ausstieg gesprochen werden. Träten die Betroffenen später in eine rechtspolitische Partei ein, fänden sie «eine gesellschaftlich anerkannte Bestätigung ihrer fundamentalen Überzeugung», heisst es in der Studie.
Erstmals Daten über Aussteiger
Für die Studie wurden 40 Personen im Alter zwischen 14 und 35 Jahren, 35 Männer und 5 Frauen, die Teil der rechtsextremen Szene waren oder noch immer sind, im Verlauf von drei Jahren mehrmals befragt. Zwei Drittel der Befragten waren zwischen 15 und 20 Jahren alt.
Bis heute fehle eine systematische Untersuchung von Aussteigern, betonten die Verfasser der Studie. Im Fokus der Studie steht denn auch nicht der Einstieg, sondern der Ausstieg aus rechtsextremen Gruppen, weil dazu noch kaum Material vorliege. Die Studie sei auch nicht als repräsentative Analyse zu verstehen, sondern als Abbild der heutigen Realität. Wie sich zeige, seien die Gründe für die Abkehr junger Menschen von der rechtsradikalen Szene vielschichtig. Ob und wie weit die Gesellschaft darin ein Problem mit Handlungsbedarf sehe, sei erst noch festzustellen.
«Erschreckend normal»
«Auch nach dem Austritt lässt sich erschreckend normal leben», sagte Co-Studienleiter Wassilis Kassis gestern vor den Medien. Und er warnte vor gängigen Klischees und Verallgemeinerungen: Die rechte Jugendszene habe sich seit den Neunzigerjahren verjüngt und «erheblich differenziert». Vier verschiedene Gruppentypen seien auszumachen, nämlich lose grosse Zusammenschlüsse, patriotisch-nationalistische Grossgruppen, informelle Jugendcliquen und straffe Kameradschaften. Diskretere neuere Erscheinungsformen nutzten Deckmäntel wie Esoterik und Sport, sagte Co-Studienleiter Ueli Mäder. «Allein Glatzen mit Bomberjacken zu kontrollieren reicht nicht», urteilte Wassilis Kassis.
Ausstieg ist meist schwierig
Allgemein sei der Ausstieg aus der rechten Szene meistens schwierig, stellt die Studie fest. Einerseits wegen des Drucks der Clique, aber auch, weil es eine Neuorientierung brauche. Da die ständige Aktivität in der Gruppe wegfalle, müssten neue sinnstiftende Freizeitaktivitäten gefunden werden.
Als mögliche Ausstiegsgründe werden positive Erfahrungen mit Fremden angeführt, aber auch eine Art «Burn-out» in der gewählten Szene, da sich das Szenenleben zunehmend monoton gestalte, und Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen, die Konfrontation mit der Polizei oder gerichtliche Verfahren zur Belastung würden. Bei den Eltern stellt die Studie «eine gewisse Passivität» fest: Manche hofften, die rechte Phase ihrer Sprösslinge gehe rasch vorbei. Andere reagierten verunsichert. Laut Ueli Mäder ist jedoch mit den Jugendlichen ein inhaltlicher Diskurs wichtig, auch über Gefühle. Jugendliche sollten Zugang zu Argumenten haben, sagte Mäder.
Unterstützung ist wichtig
Die Verfasser der Studie betonten gestern, es sei wichtig, den Ausstiegswilligen eine Brücke zu bauen. Sie dürften bei diesem Vorhaben nicht allein gelassen werden. Die Erhebung habe gezeigt, dass der Ausstieg eher gelinge, wenn junge Menschen von ihrem früheren Kollegenkreis (also vor dem Beitritt zur rechten Szene) nicht ausgegrenzt würden. Explizite Empfehlungen zum Umgang mit Austrittsbereiten gibt die Studie nicht ab; dies sei auch keine Vorgabe gewesen, betonte Mäder. Mögliche Schlussfolgerungen sollen aber in einer weiteren Studie aufgezeigt werden (siehe Kasten).
Rechte Jugendszene:Folgestudie geplant
Explizite Empfehlungen zum Umgang mit Ausstiegswilligen aus der rechten Jugendszene soll eine weitere Studie bringen. Im Zentrum werden die Prävention und die Hilfe für die Betroffenen stehen. Angesprochen werden dürfte dabei unter anderem auch die so genannte Resozialisation durch die Familie und durch Gleichaltrige. Thematisiert werden aber auch der Umgang und das Verhalten der Gesellschaft mit Jugendlichen aus der rechtsextremen Szene.