Der Nationalfeiertag · Gummiboot-Fröntler konnten Fest nicht stören – Aufregung nach Schluss der Feier

Blick

Um 16.18 Uhr knallte es auf dem Rütli

RÜTLI UR. Micheline Calmy-Rey plaudert mit einer Gruppe Frauen. Die offizielle Rütli-Feier ist seit zehn Minuten zu Ende. Überall stehen die Leute herum. Dann gibt es plötzlich einen lauten Knall.

Ein Sprengsatz ist hochgegangen. Es ist exakt 16.18 Uhr. Ohrenzeugen nehmen zwei Detonationen wahr. Erst ein leiserer, dumpfer, dann ein lauter Knall. Das Echo hallt von den Felswänden hoch über dem Vierwaldstättersee.

Mitten auf der Rütli-Wiese klafft ein Loch. Minuten vorher sind da noch Frauen, Männer und Kinder gesessen. Sie sassen auf dem vergrabenen Sprengsatz!

BLICK fotografiert die Reste der offensichtlich selbst gebastelten Bombe im Erdreich, 25 Zentimeter tief vergraben: Batterien, ein Gewirr aus Käbelchen, Reste eines Zünders, Metall und der rechteckige, blaue Deckel eines Plastik-Geschirrs.

Zwei Urner Kantonspolizisten stehen über dem Erdloch. Sie realisieren zuerst gar nicht, auf was sie da blicken. Ein dritter eilt herbei – und schlägt sofort Alarm.

Dann geht alles blitzschnell. Sicherheitsbeamte zerren Calmy-Rey unsanft weg. Sie ist nur etwa 50 Meter weit weg vom Explosionsort gestanden. Im Eiltempo muss sie samt dem Begleittross zum Schiffssteg flüchten. Im Polizeiboot geht es ab quer über den See nach Sisikon UR. Am Abend verurteilt Calmy-Rey den Anschlag gegenüber BLICK: «Es hätten leicht Menschen verletzt werden können.»

Die Urner Polizei spricht zuerst von einem Feuerwerkskörper. Die Fotos zeigen aber: Es war ein Sprengsatz.

Frage ist nur, ob er mit einem Zeitzünder in die Luft ging oder ferngezündet wurde. Und: Wer waren die Attentäter? Rechtsradikale?

Fakt ist: Neonazis haben versucht, die Rütlifeier zu stören. In Gummibooten paddelten sie von Brunnen Richtung Rütli.

Sie kamen nicht weit. Die Seepolizei stoppte sie und wies sie zurück. Die Gummiboot-Fröntler konnten die 1.-August-Feier nicht stören.

Etwa 80 Gesinnungsgenossen wollten sich zu Fuss zum Rütli durchschlagen. Auf dem Wanderweg ab Seelisberg.

Die Polizei kontrollierte aber schon bei einer Strassensperre alle Durchfahrenden – und stoppte einen Konvoi mit 16 Autos. Die frustrierten Rechtsradikalen wollten die Polizisten mit Gehupe, Pfiffen und Pöbeleien provozieren. Vergebens.

Zu einer Privatparty fanden sich Neonazis aus der ganzen Schweiz und Deutschland im Kanton Zürich zusammen. Treffpunkt: Tierpark in Langnau a. A. Von dort fuhren die Rechtsextremen Richtung Bonstetten.

Dort hatten sie eine Waldhütte von der Gemeinde gemietet. Fast 100 Neonazis versammelten sich – riesige Schweizer Fahnen hingen, Hundegebell und laute Musik waren zu hören. Für die Nacht planten sie einen Fackellauf.

In Luzern versammelten sich rund 100 Linke gegen Mittag auf dem Bahnhofsplatz zu einer unbewilligten Kundgebung.

Sie formierten sich zu einem Demonstrationszug. Skandierten «Nazis raus» und zogen Richtung Regierungsgebäude – trotz Verbot.

Ein erstes Mal tolerierte die Polizei die Demo. Als sich einige Linke ein zweites Mal formierten, stürmten Dutzende Polizisten den Bahnhofsplatz. Die Demonstranten wurden eingekesselt und festgenommen.

Die Veranstalter der Demo, das «Bündnis für ein buntes Brunnen», sind vom Einschreiten der Polizei enttäuscht: «Bis zu ihrem Eingreifen war alles friedlich», sagt Sprecher Daniele Jenni.