von 14.1.2017, 06:00 Uhr
Nachdem Beate Zschäpe am 4. November 2011 nacheinem gescheiterten Banküberfall ihrer zwei Gesinnungsgenossen diegemeinsame Wohnung mit Benzin übergossen und angezündet hatte, dauertees noch eine Weile, bis die Fahnder auf den entscheidenden Fundstiessen. Erst nach einigen Tagen fand die Polizei im Brandschutt imVorgarten der Wohnung im sächsischen Zwickau eine tschechischeArmeepistole, die sie aufgrund einer rätselhaften Mordserie schon länger auf dem Radar hatte: eine Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter, mitverlängertem Lauf, auf dem ein Schalldämpfer montiert werden konnte.
Vom anderen Ende her
Rund zwei Dutzend Stück dieses Modells waren 1993von einem tschechischen Händler in die Schweiz eingeführt worden, derdamals im solothurnischen Derendingen ein Waffengeschäft führte. 2005,nach dem siebten von insgesamt neun Morden an türkisch- odergriechischstämmigen Immigranten, wurden die deutschen Fahnder beimtschechischen Waffenhändler in Derendingen vorstellig. Sie überprüftensämtliche Verkäufe der entsprechenden Ceska. Bei einem Berner, einemehemaligen Primarlehrer, blieben sie hängen. Er soll die Armeepistole1996 in der Stadt Bern bei einem inzwischen nicht mehr existierendenWaffengeschäft erworben haben. Der Betroffene bestritt aber, die Waffegekauft zu haben, und sagte aus, jemand anders müsse dies unter seinemNamen gemacht haben.
Sechs Jahre später, nach dem Fund der Ceska 83 imBrandschutt im Vorgarten der Zwickauer Wohnung, nahmen die deutschenErmittler die Spur der Waffe vom anderen Ende her auf. Zwar war dieeingravierte Seriennummer, über die jede bewilligungspflichtige Waffeverfügt, abgefeilt. Doch mit einer chemischen Methode gelang es denFahndern, die Seriennummer zu eruieren: 034678. Es war zweifelsfrei dieTatwaffe der bis dahin ungelösten Mordserie an neun Immigranten.
Die Tötungsdelikte gehen auf das Konto derrechtsextremen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Diebeiden Haupttäter erschossen sich nach dem gescheiterten Banküberfall2011. Das dritte NSU-Mitglied, Beate Zschäpe, steht in München seit bald vier Jahren vor Gericht. Im Laufe dieses Prozesses konnte der Weg derTatwaffe zurückverfolgt werden. Er führt zunächst in ein Szenelokal fürRechtsextreme in Jena, wo unter dem Ladentisch Waffen zu bekommen waren. Ein Deutscher gestand, die Waffe im Auftrag gekauft und an die zweiinzwischen toten Mitglieder des NSU überbracht zu haben.
Zurück an den Anfang
Und wie war die Ceska unter den Ladentisch desJenaer Szenelokals gelangt? Aufgrund von Angaben des Ladenbesitzerskonnte die Kette um zwei Glieder ergänzt werden. Es handelt sich jeweils um Deutsche aus dem kriminellen Umfeld. Einer von ihnen verbringt dieFerien regelmässig mit einem Schweizer, der vorübergehend in den OstenDeutschlands ausgewandert war. In der Nähe von Jena hatte der Schweizereinen Auto-Abschleppdienst betrieben.
Und mit ihm schliesst sich die Kette in dieSchweiz: Der vorübergehend ausgewanderte Schweizer ist einMilitärdienst-Kollege jenes ehemaligen Berner Primarlehrers, den diedeutschen Fahnder bereits 2005 im Visier hatten. Er soll sichWaffenerwerbsscheine beschafft und an den Dienstkameraden verkaufthaben. Das Strafverfahren gegen die zwei Schweizer wurde 2014eingestellt. Es konnte ihnen kein direkter Kontakt zum NSU nachgewiesenwerden.