Sacha Kunz, ist eine der zentralen Figuren der Schweizer Neonazi-Szene
Von Petra Wessalowski
ZüRICH · Als am 1. August rund 700 Rechtsradikale skandierend durch Brunnen marschierten, liefen vorneweg gewählte Politiker der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) wie der Langenthaler Stadtrat Tobias Hirschi und der Günsberger Gemeinderat Dominic Bannholzer. Auch der Berner Pnos-Stützpunktleiter Pascal Lüthard oder der Langenthaler Orts-parteileiter Stefan Wüthrich markierten Präsenz. Ihnen droht eine Verzeigung, weil die Demonstration nicht bewilligt war.
Der Mann jedoch, der die Pnos im Jahr 2000 gegründet hat und bis 2003 deren Präsident war, hielt sich bewusst im Hintergrund. Sacha Kunz, 27, Vater von zwei Kindern, war zwar ebenfalls auf dem Rütli. Doch er agiert lieber hinter den Kulissen. Dort ist er aktiv wie eh und je: Kunz gehört zu den Schlüsselfiguren der Neonazi-Szene, die sich immer normaler, politischer und sozialer gibt.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit stützt der medienscheue Maurer, von dem es kaum Bilder gibt, die rechte Szene mit zahlreichen Aktivitäten:
Kunz betreibt die beiden wichtigsten Websites der Schweizer Rechtsradikalen. Dort wird die braune Ideologie verbreitet und für Anlässe mobilisiert. Im öffentlich zugänglichen Gästebuch schrieb Anfang Juli ein «Deutscher Germane»: «schade, dass es nur 6 millionen juden waren.» Der Kommentar des Netzmeisters, mutmasslich Kunz selbst: «Heil Deutscher Germane, Deinem Text muss ich ja nichts mehr Hinzufügen.» Der Eintrag wurde erst nach Wochen gelöscht, wohl nur, weil Anzeigen drohten.
Kunz gab zwei Nummern der Zeitschrift «White Revolution» heraus. Sie ist laut Impressum keine Publikation im Sinne des Pressegesetzes, sondern nur ein «Rundbrief an Freunde und Kameraden». Entsprechend offen wird rassistisches Gedankengut verbreitet. Eine Ausgabe ziert ein Henker in Ku-Klux-Klan-Montur, der Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess wird als «Märtyrer» gefeiert, Holocaust-Leugner Jürgen Graf kommt ausführlich zu Wort.
Seit Anfang Jahr tritt Kunz als Sänger des Duos Die Eidgenossen auf. Die Band hat eine CD mit drei Liedern eingespielt, drei weitere Tonträger hat er unter seinem Label produziert. Am 16. Juli sang Kunz in Baden-Dättwil nicht nur eigene Stücke, sondern auch das «Afrika-Lied» der deutschen Skin-Band Landser. Es endet mit der Strophe: «Afrika für Affen/ Europa für Weisse/Steckt die Affen in ein Klo/Und spült sie weg wie Scheisse.»
Kunz organisierte das Nazi-Rockkonzert am 29. Juli in Obererlinsbach, an dem sich die Rechtsradikalen für den 1. August auf dem Rütli vorbereiteten. Neben Kunz? Duo traten die Schweizer Bands Indiziert – eines ihrer Lieder heisst «Völkermord» – sowie Amok auf.
Kunz sorgte früher mehrfach für Schlagzeilen. 2001 versuchte er in Rheinfelden, einen Skinhead-Laden mit rechtsextremer Musik und Kleidung zu eröffnen. Das Strafgericht Basel-Landschaft verurteilte ihn 2003 wegen Angriffs, Körperverletzung und Tätlichkeiten zu 16 Monaten Gefängnis bedingt. Vor der Gerichtsverhandlung trat er aus der Pnos aus. Ein taktisches Manöver, wie sein späterer Besuch eines Pnos-Parteitags zeigte.
Rechtsextremes Gedankengut wird für Frauen attraktiv
Für Pnos-Mitglieder und andere Rechtsradikale ist Kunz dank seines Engagements ein wichtiges Vorbild. Er liefert den ideologischen Boden, über seinen Versandhandel bestellen die Sympathisanten die Hassmusik, in seinen Foren tauschen sie sich aus. Gleichzeitig demonstriert der Familienvater, dass die Neonazi-Bewegung nicht mehr ein grölender und saufender Haufen Glatz köpfe ist, sondern eine politische Bewegung, welche die Grenzen des Rechtsstaats ausreizt.
Das macht die Szene für Frauen attraktiv, was wiederum den Tonfall in den bisher von Männern dominierten Organisationen verändert. «Seit fünf Jahren übernehmen junge Frauen in der Schweiz zunehmend führende Rollen in Skinhead-Gruppierungen», stellt Rena Kenzo fest. Sie ist Mitautorin des kürzlich erschienen Buchs «Braune Schwestern?» und beobachtet die rechtsextreme Frauenszene seit Jahren.
Wenn mehr Frauen mittun, fällt für viele Neonazis ein Ausstiegsgrund weg. Nämlich der, von ihrer szenefremden Freundin vor die Wahl gestellt zu werden: die Gruppe oder ich. Wie nützlich sich die Frauen machen, zeigt Kunz? Frau. Sie hat mit ihm für den Rütli-Auftritt ein T-Shirt entworfen mit dem Ur-Slogan der Rechten – «Treu und Ehre dem Vaterland».
Mitarbeit: Hans Stutz
Zukunft offen
Wie es mit der 1.-August-Feier auf dem Rütli weitergeht, ist noch unklar. Im September hält die organisierende Rütlikommission eine erste Aussprache. Laut Präsidentin Judith Stamm kommen «alle Varianten auf den Tisch». Bundesrat Merz hat diese Woche gefordert, die Feier müsse weiterhin stattfinden. Der Vertreter seines Departements, der in der Rütlikommission sitzt, wird indes nicht entsprechend mandatiert.