SEINEN EHRVERLETZUNGSPROZESS
«Rassist, Antisemit, Holocaust-Leugner»
Der umstrittene britische Historiker David Irving hat seine Verleumdungsklage gegen eine amerikanische Wissenschaftlerin verloren, welcheIrving als Holocaust-Leugner bezeichnet hatte.
PETER ISENEGGER
LONDON. Der vom umstrittenen britischen Historiker David Irving gegen die Autorin des Buches «Denying the Holocaust» angestrebte Verleumdungsprozessendete gestern mit einem für den Kläger vernichtenden Urteil: Die im Buch gegen Irving erhobenen Vorwürfe, er leugne den Holocaust und lege Fakten bewusst so aus, dass sie in sein hitlerfreundliches Weltbild passten, wurden von Einzelrichter Charles Gray nicht nur bestätigt; der Richter befand sogar, David Irving sei «einRassist, ein Antisemit und ein aktiver Holocaust-Lügner mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene».
Vor der Urteilsverkündung hatte sich der 62-jährige Kläger in einem Interview noch zuversichtlich gezeigt: «Ich schätze meine Erfolgschancen auf 70:30 ein, jedenfalls erheblich höher als 50:50.»
Vernichtende juristische Niederlage
Wenig später wurde Irving, der zwar nicht den Holocaust als solchen, aber dessen Systematik und einzelne Aspekte leugnet wie etwa die Existenz der Gaskammern in Auschwitz, auf den Boden der Realität zurückgeholt. Auf dem Weg zum Gericht wurde er von Mitgliedern der britischen Anti-Nazi-Liga mit Eiern beworfen. Es sollte für ihn aber noch schlimmer kommen: Statt des erhofften Erfolges setzte es eine geradezu vernichtende Niederlage ab.
Der «Historiker» Irving fühlte sich durch den von Deborah Lipstadt in ihrem Buch über die Verleugnung des Holocaust erhobenen Vorwurf, er sei ein «gefährlicher Holocaust-Lügner», welcher historisches Material bewusst falsch ausgelegt habe, um Hitlers Beteiligung an der Massenvernichtung von Juden zu widerlegen, verleumdet. Er bezeichnete Lipstadts Vorwürfe als «Teil einer grossangelegten Kampagne, die darauf abzielt, meinen Ruf als Historiker zu schädigen und die Veröffentlichung meiner Bücher zu verhindern». Deshalb zerrte er die amerikanische Akademikerin Lipstadt und ihren Buchverlag, Penguin Books, wegen Verleumdung und Kreditschädigung vor den Kadi. Irving machte geltend, dass diese Kampagne Verleger davon abgehalten habe, seine Werke zu veröffentlichen.
«Guten» Ruf ruiniert statt verteidigt
Doch Irving hätte es besser gelassen, seinen «guten Ruf» verteidigen zu wollen: Richter Charles Gray stellte gestern fest, Irving habe während des neun Wochen dauernden Prozesses nicht nachweisen können, dass sein Ruf durch diese Vorwürfe Schaden genommen habe und ihm daraus finanzielle Einbussen entstanden seien. Darüber hinaus bezeichnete der Richter die Vorwürfe ausdrücklich als gerechtfertigt. Richter Charles Gray fand sogar, Irving sei ein rechtsextremer «Pro-Nazi-Polemiker» und unwiderlegbar ein «aktiver Holocaust-Lügner». Er habe die Existenz von Gaskammern in Auschwitz und die Tatsache, dass dort Juden vergast worden sind, wiederholt und oft in anstössiger Weise abgestritten. Mit anderen Worten: Irving habe den schlechten Ruf – gegen den er sich vor Gericht wehrte – durchaus verdient. Die Urteilsbegründung umfasst 66 Seiten und dauerte zwei Stunden. Irving will – wenn dies überhaupt noch möglich ist – gegen das Urteil in Berufung gehen. In seinem Interview vor der Verhandlung hatte er noch behauptet, er werde auf keinen Fall gegen das Urteil appellieren. Irving liess sich in diesem Interview auch über die «Inflexibilität» einiger Zeugen aus, welche nicht einsehen könnten oder wollten, dass sie sich täuschten. Er selber will allerdings nichts einsehen: «Wie immer das Urteil ausfällt – es wird keinen Einfluss auf meine generellen Ansichten über den Holocaust, dessen Natur und Hitlers Rolle darin haben.» Nicht zuletzt darum dürfte Irving in rechtsextremen Kreisen ein Idol bleiben. Beruflich hat er mit seiner jetzt abgeschmetterte Klage allerdings Selbstmord verübt.
Seine finanzielle Situation werde sich durch eine allfällige Niederlage kaum ändern, meinte Irving vor der Urteilsverkündung: «Bereits vor diesem Prozess war es mir auf Grund dieser Verleumdungskampagne nicht mehr möglich, einen Verleger für meine Werke zu finden.» Was er noch nicht wusste: Dass ihm Richter Charles Gray die gesamten Gerichtskosten von 2 Millionen Pfund (über 5 Millionen Franken) aufbrummen werde.