Neue Zürcher Zeitung: Der geplante Auftritt des kroatischen Musikers Marko «Thompson» Perkovic in Schlieren sorgt für Empörung
Sein Künstlername stammt von einer Maschinenpistole: Mit seiner Musik bewegt sich Marko Perkovic alias Thompson hart am Limit. Eines seiner Konzerte sorgte gar für diplomatische Verstimmungen.
Er mag es martialisch. Der kroatische Sänger Marko Perkovic, Künstlername Thompson, rammt an seinen Live-Auftritten gerne einmal ein überdimensionales Schwert in den Boden. Voller Inbrunst singt er dazu von Freiheitskampf, Gott und der Liebe zum kroatischen Vaterland. In seinem bekanntesten Lied «Bojna Cavoglave» droht er: «Hört, ihr serbischen Freischärler, Bande von Tschetniks, unsere Hand wird euch noch in Serbien erreichen.»
«Feind der freien Gesellschaft»
Perkovic nennt sich Thompson. Der Name stammt von der gleichnamigen Maschinenpistole, die der 49-jährige Barde als Angehöriger der kroatischen Armee Anfang der 1990er Jahre benutzte. Kaum ein Musiker Kroatiens ist umstrittener und polarisiert mehr als Thompson. In der Vergangenheit war er immer wieder mit trübem, nationalistischem Gedankengut aufgefallen. Seine Auftritte sind voller Anspielungen und Doppeldeutigkeiten. Dazu gehört auch der von ihm zelebrierte Gruss «za dom spremni» – was so viel heisst wie «für die Heimat bereit» –, mit dem er «Bojna Cavoglave» intoniert. Das war jedoch auch der Gruss des faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes. Nicht zuletzt deshalb bezeichnete ihn die «FAZ» 2007 als «Hass-Sänger». Sich selbst sieht der von seinen Anhängern als Rockstar gefeierte Perkovic als Patrioten. Er sei Musiker und kein Politiker. In seinen neueren Liedern gibt er sich betont harmlos, die Blut-und-Boden-Symbolik bleibt dennoch.
Anfang September soll der Sänger nun in einer Sporthalle in Schlieren auftreten, die rund 1000 Personen Platz bietet. Das Konzert schlägt bereits zwei Monate vor dem Auftritt hohe Wellen. Die Jungsozialisten haben einen offenen Brief an den Stadtrat von Schlieren geschrieben. Darin heisst es: «Offen zur Schau getragener Rassismus ist in einer demokratischen Gesellschaft wie der Schweiz unzulässig und schürt Wut und Hass.» An Veranstaltungen des Sängers komme es immer wieder zu faschistischen Manifestationen und Verherrlichungen des Ustascha-Regimes. Perkovic sei «ein Feind der freien und demokratischen Gesellschaft».
Kritisiert wird auch das Vorgehen der Behörden beim Konzert in Freiburg i. Ü. Ende des letzten Jahres. «Es ist höchst fragwürdig, dass Thompson damals eine Einreisebewilligung erhalten hat», sagt Lewin Lempert, Co-Präsident der Juso Zürich und Mitunterzeichner des offenen Briefes, auf Anfrage. «Perkovic transportiert durch seine Auftritte rassistisches Gedankengut und verharmlost die Greueltaten des Ustascha-Regimes während des Zweiten Weltkriegs.» Bei einem deutschen Neonazi käme auch niemand auf die Idee, ein Auge zuzudrücken, ist Lempert überzeugt: «Grundsätzlich müsste in diesem Fall auch die Antirassismusstrafnorm zur Anwendung kommen.»
Absage «unverhältnismässig»
Im Dezember 2015 war der umstrittene Musiker nach mehrjährigem Unterbruch wieder in der Schweiz aufgetreten. Die Behörden liessen die Veranstaltung in Freiburg allerdings nur unter Auflagen zu. Mit den Organisatoren wurde vorab besprochen, welche Lieder überhaupt gespielt werden dürfen. Um dies zu überprüfen, wurde extra kroatischsprechendes Personal abgestellt.
Das war nicht immer so: In Erinnerung bleibt vor allem eine Episode aus dem Jahr 2009. Ein geplanter Auftritt Thompsons in der Luzerner Vorortsgemeinde Kriens sorgte damals gar für Verstimmungen auf diplomatischem Parkett. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) verweigerte dem Sänger damals aufgrund des Antirassismusgesetzes die Einreise.
Das sorgte für geharnischte Reaktionen in Kroatien. Der Aussenminister liess den Schweizer Botschafter ins Ministerium bestellen und protestierte in einer Note gegen das Auftrittsverbot. Daraufhin rügte jedoch wiederum der kroatische Präsident Stjepan Mesic seinen Aussenminister scharf.
Die Jungsozialisten fordern in dem Brief den Stadtrat von Schlieren nun ebenfalls auf, alle Möglichkeiten zu prüfen, um das Konzert abzusagen. In Schlieren bestätigt man den Erhalt des Briefes. Trotz dem Protest hält der Stadtrat eine Absage des Konzerts aber «nach heutigem Wissensstand für unverhältnismässig», wie Sicherheitsvorstand Pierre Dalcher (svp.) auf Anfrage sagt. «Die letzten Konzerte von Perkovic in der Schweiz liefen ohne böses Blut ab.» Man nehme die Bedenken aber ernst, betont er. «Wir stehen in Kontakt mit dem Bundesamt für Polizei und der Kantonspolizei.» Entsprechend eng werde man den Anlass begleiten. Zu den konkreten Massnahmen wollte sich Dalcher nicht äussern. Dazu sei es auch noch zu früh. Das dürfte mit der Einschätzung des Fedpol übereinstimmen. Doch dort hält man sich bedeckt. Ob man jemanden mit einem Einreiseverbot belege, werde nur den Betroffenen und den Behörden mitgeteilt.
Produkt des Krieges
Der Musiker Perkovic ist ein Produkt der blutigen Kriege auf dem Balkan Anfang der 1990er Jahre. Seinen Hit «Bojna Cavoglave» schrieb er als Soldat im Jahr 1992, als die Kämpfe noch nicht einmal ein Jahr lang gewütet hatten. Es ist die Geburtsstunde von Thompson.
Als Rechtsrocker gilt der Sänger nicht bloss wegen des Ustascha-Grusses. Seine Sympathie für das faschistische Regime kommt auch im Lied «Jasenovac i Gradiska Stara» zum Ausdruck, das er 2002 an einem Konzert zum Besten gab. Darin werden die Morde des menschenverachtenden Ustascha-Regimes von Ante Pavelic während des Zweiten Weltkriegs verherrlicht. Thompson stritt zunächst ab, das Stück gesungen zu haben. Nachdem zwei Jahre später jedoch eine Aufnahme auf dem Internetportal «index.hr» erschienen war, gab er es schliesslich doch zu. Er habe es aus Protest gegen die sozialdemokratische Regierung Kroatiens gesungen. Feinde des Landes in seinem Gedankengut.
«Ich halte das Konzert für bedenklich»
Osteuropa-Historiker Stefan Dietrich über den umstrittenen kroatischen Sänger und die unbewältigte Ustascha-Vergangenheit des Balkanlandes
Herr Dietrich, wie problematisch ist der Sänger Thompson?
Marko Perkovic alias Thompson steht für einen extremen kroatischen Nationalismus. Einige seiner Lieder beziehen sich nicht nur auf den Krieg der 1990er Jahre, sondern auch auf den sogenannten «Unabhängigen Staat Kroatien», einen Satellitenstaat von Hitlers und Mussolinis Gnaden. Thompson verhöhnte mehrmals die Opfer und verharmloste die Verbrechen des sogenannten Ustascha-Staates. Dennoch ist er in Kroatien und auch in Teilen der kroatischen Diaspora populär.
Weshalb?
Kroatien tut sich bis heute schwer mit der Aufarbeitung der Weltkriegsvergangenheit. Politik und Gesellschaft sind tief gespalten. Thompson polarisiert.
Wie äussert sich das?
Ein Beispiel: Während eines Konzerts im letzten Jahr, das im Fernsehen übertragen wurde, schrie die Masse «Ubij Srbina», was so viel heisst wie «Töte die Serben». Diese Hetze gegen die serbische Minderheit in Kroatien blieb aber folgenlos – trotz Anwesenheit der politischen Elite Kroatiens.
Wie spielt der Sänger mit dieser unbewältigten Vergangenheit?
Perkovic verknüpft Ereignisse aus dem kroatisch-serbischen Krieg der 1990er Jahre mit dem faschistischen Ustascha-Staat im Zweiten Weltkrieg. Er erzeugt ein Wir-Gefühl und grenzt sich von den «Anderen» ab. Die Anderen sind etwa die «falschen Kroaten», die Juden und natürlich Serben. Damit macht Thompson richtig gutes Geld.
Welche Rolle spielt dieser politische Hintergrund für die Konzertbesucher?
Der Grossteil des Publikums macht sich wohl keine Gedanken über den Hintergrund seiner Songs. Perkovic hat zudem ein breites Repertoire. Doch man muss kein Experte sein, um zu wissen, aus welcher Ecke seine Musik kommt.
Warum gibt es gewisse kroatische Kreise, die diesem rechtsnationalistischen Gedankengut nachhängen?
Rechtsnationalistische Positionen sind teilweise im Mainstream angelangt. Dies ist insbesondere eine Folge der kroatischen Politik der 1990er Jahre. Grosse Teile der politischen Elite fallen im besten Fall durch eine passive oder verharmlosende Haltung auf. Dennoch zeigen die Wahlergebnisse der letzten Jahre deutlich, dass die Mehrheit der kroatischen Bevölkerung rechtsnationalistisches Gedankengut ablehnt.
Warum ist die Musik von Thompson in Kroatien nicht verboten?
In Kroatien ist Thompson ein Star. Geschützt wird er wohl durch seine gute politische Vernetzung. Seine Ansichten sind je nach Region fest verankert.
Gibt es also keine juristische Handhabe?
Doch, die Gesetze wären da. Verherrlichung des Faschismus kann bestraft werden. Jeder Fan, der während eines Thompson-Konzerts ein T-Shirt mit dem Logo der Ustascha trägt, kann bestraft werden. Nur: Das Gesetz wird nicht konsequent angewandt.
Warum?
Das hat verschiedene Gründe. Viele Politiker wollen schlichtweg nicht dagegen vorgehen. Das Verhältnis zur eigenen Geschichte ist unkritisch. Hinzu kommt ein grosses Unwissen der jungen Generation in Zusammenhang mit der Ustascha-Vergangenheit. Es gab schlicht keine Aufarbeitung.
Gibt es Unterschiede zwischen der kroatischen Diaspora in der Schweiz und den Kroaten im Heimatland?
Was man grundsätzlich sagen kann: Eine Diaspora ist immer konservativer und nationalistischer als die Bevölkerung im Heimatland. Man ist auf der Suche nach einer Identität. Aber auch in Kroatien gibt es da Unterschiede. Es spielt eine grosse Rolle, aus welcher Region man stammt und welche Familiengeschichte man hat.
Zurück zu Thompson: Wie problematisch ist das Konzert des Sängers in Schlieren?
Ich halte es für bedenklich. Es kann nicht sein, dass in der Schweiz ein solcher Sänger unkritisch und unkommentiert auftreten kann.
2009 wurde der Sänger mit einem Einreiseverbot für die Schweiz versehen.
Das war ein recht drastischer Schritt. Als ich davon hörte, war ich überrascht. Im Nachhinein ist es aber zu begrüssen. Dies zeigte nämlich, dass sich Thompson nicht alles erlauben kann. Das Einreiseverbot für die Schweiz hat in Kroatien hohe Wellen geschlagen.
Vor einem Jahr war das anders: Der Musiker konnte in Freiburg i. Ü. auftreten, nachdem die Polizei gesagt hatte, welche Lieder er spielen dürfe.
Ich sehe das kritisch. Auch wenn Thompson nur noch Liebeslieder singen darf, steht er als Person ja dennoch für die Ustascha-Vergangenheit. Selbst in Kroatien wurden seine Konzerte in bestimmten Städten abgesagt.