Denn sie wissen immer, was sie tun

SolothurnerZeitung

UNTER BEOBACHTUNG · In der Einsatzzentrale derKantonspolizei wurde die Demo in Solothurn stetsverfolgt

Die Antifa-Demonstranten gestern Abend haben inder Solothurner Altstadt nur einige uniformierteStadtpolizisten zu Gesicht bekommen. Rund 40 Beamte derKantonspolizei blieben diskret im Hintergrund – wären aberbei Ausschreitungen blitzschnell zur Stelle gewesen.

Wolfgang Wagmann

Der Schäfer vor dem Gittertor kläfft aufgeregt, imHintergrund wimmelt es von Uniformierten, die hin und herhasten. 19 Uhr auf dem Posten der Kantonspolizei an derWerkhofstrasse: Die Befehlsausgabe ist vorbei. 35 Mannrücken in ihre Bereitschaftsräume ein. «UnserNachrichtendienst erhielt über das Internet Kenntnis vonder geplanten Gegen-Demo. Es sollen auch fünf Mitgliederdes „Schwarzen Blocks“ dabei sein», erkärt EinsatzleiterWitold Konkol. «Wir wollen nicht überrascht werden»,nach dieser Devise hat Konkol seine Truppe verteilt. VierGruppen des Ordnungsdienstes, ausgerüstet mit allem was eszum Eingreifen bei Ausschreitungen braucht, sind an dievier Ecken der Altstadt verteilt worden – schön imHintergrund, als Einsatzkräfte. Ein Befragungsdienst fürEinvernahmen ist ebenfalls mit von der Partie, einVideoteam bei der «Krone» soll (nur) allfällige Übergriffedokumentieren, und natürlich – drei Hunde gehören auchdazu. Informationen liefern auch die Bahnpolizei und einBeamter in Zivil vor Ort, der technische Dienst sorgt fürreibungslosen Funkverkehr, von alledem wissen dieDemonstranten bei ihrer Besammlung auf demAmthausplatz nichts. «Sichtbar sind nur die Beamten derStadtpolizei – wir greifen erst ein, wenns . Abereigentlich bleiben wir möglichst auf Distanz – derNahkampf ist zu vermeiden», betont Kapo-KommandantMartin Jäggi. Am Samstag war man noch von den Rechtenüberrascht worden, «da mussten wir zusammenkratzen, wasgerade da war.» Doch solche «Übungen» wie heute Abendkämen öfter vor als man denkt, meint Jäggi. Nein, am 1.Mai nicht, da sei es ruhig. Aber in Olten gabs solcheEinsätze schon öfter. Und natürlich amWEF-Wochenende, «da bewachten auf einen Notruf derBerner hin 65 Mann von uns das Bundeshaus.»Kostenpunkt des heutigen Aufgebots: «rund 35 000Franken», schätzt Martin Jäggi.

Wo gehts lang?

In der Alarmzentrale besichtigt die Swisscom Olten geradeden «normalen» Teil, der natürlich während der Demoebenfalls zu funktionieren hat. Im Glaskasten nebenanbegleitet die Einsatzleitung – darunter auchStapo-Kommandant Peter Fedeli – über Funk und Telefondie Demo. Und zwar lange vor dem Amthausplatz. Fünf«Bekannte» aus Bern sind am Bahnhof eingetroffen,«aber nicht von den ganz Bösen». Auch der BSU meldeteinen halbvollen Bus. Das Bild wird langsam konkreter. Vorallem interessiert: «Gibts auch Rechte?» Denn das könnteZoff bedeuten. Auf dem Amthausplatz sollen drei, vier mitden Antifa-Leuten diskutieren. «Wie sehen sie aus?»will der Nachrichtenchef wissen. «Aufgepasst. Es gibt auchlinke Skins, Red Skins», gibt er Nachhilfeunterricht inSachen Erscheinungsbild. Zahlen schwirren durch denRaum 80, 120, 150 – ja 200 werden genannt. «Wenn Siedurchs Bieltor marschieren, könnt ihr sie gut zählen.»Durch den Hörer skandierts «Antifa, Antifa!»Fackeln gebe es (nur etwa zehn), Transparente («Was stehtdrauf»?) und Flugblätter würden verteilt – vor allem anAusländer. Frage der Einsatzzentrale: «Du bekommstwahrscheinlich keins, siehst nicht wie ein Ausländer aus,oder?» Gelächter. Sprayereien an der Jeusitenkirche?Abklären. «Nicht ganz sicher, ob die nicht schon da waren»,tönts zurück. Beim Abstieg über den Kronenplatz gibtKonkol die Order: Die Gruppe Ordnungsdienst solle sichvom Klosterplatz Richtung Schützenmatt zurückziehen.Nur nicht provozieren – bis jetzt geht alles glatt. Dergerupfte Blumentopf beim «Kreuz» ergibt ein Scherzchen:«Morgen ist Valentinstag». Nochmals dreht die Demo eineRunde über den Kronenplatz, Richtung Bahnhof. 35 Mannwerden sich bald wieder ihrer Uniform entledigen – derSpuk ist für sie vorbei.

Die Rolle der Stadtpolizei

Klar ist laut Stapo-Kommandant Peter Fedeli die Rolle derStadtpolizei: «Solange alles friedlich verläuft, sind wirgemäss Kompetenzausscheidung mit der Kantonspolizei fürdie Überwachung der Demonstration zuständig. Erst wennes zu Ausschreitungen kommt, werden die Einsatzkräfte derKantonspolizei alarmiert.» Die gestern aufgebotenenStadtpolizisten – es waren alle verfügbaren Beamteneingesetzt – beschränkten sich auf eine diskreteÜberwachung, zumal sie ohne Ordnungsdienst-Ausrüstung,also in normaler Uniform, unterwegs waren. «Eine zu grossePräsenz von Anfang an wäre auch nicht gut gewesen», soFedeli, «das hätte nur provoziert.» Als weiterePräventiv-Massnahme empfahl die Stadtpolizei gesternNachmittag den Geschäften in der Innenstadt, beweglicheGegenstände wie Kleiderständer vorsichtshalber insLadeninnere zu evakuieren.

Alles bereit Die Einsatzkräfte der Kantonspolizei wissen,was sie zu tun hätten – die nächsten Stunden werden mitWarten draussen verbracht.

Aufmarsch der Rechtsextremen als Provokation

UNBEWILLIGT · Holocaust-Leugner hielt amSamstag Rede auf der St.-Ursen-Treppe

Am vergangenen Samstag marschierten rund 100 Personen,die aus verschiedenen Kantonen angereist waren, vomAreal der Glutz-Blotzheim via Westbahnhof und Bieltorzur St.-Ursen-Treppe (siehe Ausgabe vom Montag).Demonstriert wurde «gegen Kinderschänder». Organisierthatte die unbewilligte Kundgebung die PNOS (Parteinational gesinnter Schweizer). Laut Staatsschutzbericht2002 des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementesgehört die PNOS zu denjenigen rechtsextremenGruppierungen, die eine Etablierung als politische Kraftanstreben.

Auf der Treppe hielt dann der «Propagandaleiter» derPNOS, der bekannte Holocaust-Leugner Bernhard Schaub(Solothurn), eine «kurze Ansprache». Es wurdenFlugblätter unter dem Titel «Krankes Volk – EntarteterStaat» an Passanten verteilt. «Via Kreuzacker- undWengibrücke kehrte der Demonstrationszug dann zumAusgangspunkt zurück, wo sich die Kundgebung auflöste»,wie es in der Medienmitteilung der Kantonspolizei hiess.

Aufrufe zur Gegendemonstration

Dass dies auf der anderen Seite des politischen Spektrums alsProvokation aufgenommen würde, war abzusehen. AufFlyern und im Internet wurde rasch zu einer – ebenfallsnicht bewilligten – Demonstration am gestrigen Abend inSolothurn aufgerufen.

Auch im Gästebuch der Solothurner Kulturfabrik Kofmehlwar ein solcher Hinweis zu finden. Ein Teil im Wortlaut:«Antifaschistische Demo – lautstarke Antworten aufletzten Samstag! Erscheint zahlreich, laut und friedlich.Bringt Instrumente, Bälle, Pfeifen, Feuerschlucker,Schongglöre, eure lieben Onkelz und Tanten, Ballone undganz viele Kollegen mit.» (eis)