Denkzettel für Liestaler Skinhead-Schläger

Tages-Anzeiger

Sühne für den Überfall auf den Bahnhof-Shop in Liestal: Ein Rechtsextremer muss zwei- einhalb Jahre ins Gefängnis.

Von Peter W. Frey, Liestal

Am späten Abend des 30. April 2004 stürmte eine Gruppe von vermummten jungen Männern und Jugendlichen in Liestal auf das Bahnhofgelände. Mit Eisenketten, Baseballschlägern und Schlagstöcken droschen sie auf unbeteiligte Passanten ein und wüteten im dortigen Coop-Pronto-Shop, bevor sie so rasch wieder verschwanden, wie sie zuvor gekommen waren. Drei Personen wurden zum Teil erheblich verletzt, ein Opfer leidet noch heute – zwei Jahre später – unter dem Trauma des Überfalls.

«Es gibt keine Entschuldigungsgründe für diese Tat, es kann sie nicht geben», hielt am Freitagmorgen Jacqueline Kiss, Präsidentin des Baselbieter Strafgerichts, sieben jungen Männern im Alter zwischen 20 und 23 Jahren vor. Sie alle zählten zur Zeit der Tat zur rechtsextremen Skinhead-Szene. An diesem Abend wollten sie gewaltsam mit einer Gruppe Ausländer abrechnen. «Den Bahnhof von Kanaken säubern», nannte dies ein Beteiligter. Doch am Bahnhof trafen sie ihre Gegner nicht an.

Bruch mit der rechtsextremen Szene?

Für den Überfall, der weit über die Nordwestschweiz hinaus für Aufsehen gesorgt hatte, sprach das Gericht Gefängnisstrafen zwischen zweieinhalb Jahren unbedingt und siebzehn Monaten bedingt aus. In einem Fall wurde eine unbedingte Strafe zu Gunsten einer ambulanten Therapie aufgeschoben. Einen Angeklagten wies das Gericht in eine Arbeitserziehungsanstalt ein. Die zu bedingten Strafen verurteilten Täter stellten die Richter unter Schutzaufsicht und ordneten Psychotherapien an. Sie hätten das Ziel, den Ausstieg der Täter aus der rechtsextremen Szene zu begleiten, sagte Gerichtspräsidentin Jacqueline Kiss: «Das ist keine Alibiübung. Eine Therapie ist harte Arbeit und geht unter die Haut.»

Vor Gericht hatten die meisten Angeklagten beteuert, sie hätten mit der rechtsextremen Szene gebrochen. Aussagen, denen schon der Staatsanwalt in seinem Plädoyer nur beschränkt Glauben geschenkt hatte: «Ausgetreten, aber noch nicht ausgestiegen», nahm er den Befund von Samuel Althof von der Aktion Kinder des Holocaust auf. Althof arbeitet mit ausstiegswilligen Rechtsextremen und hatte als vom Gericht bestellter Experte den Prozess begleitet. Er rechnet die Pronto-Shop-Täter nicht den programmatischen Rechtsextremen zu, wie sie in der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) zu finden sind.

«Aufgeladen mit Wut und Hass»

«Mit der tieferen Einsicht ist es nicht so weit», mussten sich die sieben Angeklagten auch von der Gerichtspräsidentin sagen lassen. Einer der Anführer der Gruppe hatte noch vor Gericht die Aktion am Liestaler Bahnhof als legitim verteidigt. Die Ideologie, dass Ausländer, Randständige, Schwule und Juden Menschen zweiter Klasse seien, habe sich «eingebrannt in den Köpfen», erklärte Kiss. Zur Gruppe gehörten auch drei bereits vom Jugendgericht beurteilte Mitläufer. «Es war eine Gruppe, die aufgeladen war mit Wut und Hass auf die Ausländer.»

Als klar wurde, was die Anführer am Liestaler Bahnhof planten, habe keiner der Skinheads mehr aussteigen wollen. «Sie machten mit, weil sie nicht als Feiglinge gelten wollten», sagte die Gerichtspräsidentin. Am 30. April 2004 hatten sich wohl alle Mitglieder der Gruppe mit Schlaginstrumenten ausgerüstet, aber nicht alle setzten sie ein. Trotzdem befand das Gericht alle Angeklagten der schweren Körperverletzung, der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung und des Angriffs schuldig.

Ein klassischer Fall von Mittäterschaft: Jeder müsse einstehen für das, was die andern gemacht hätten, wurden die Angeklagten belehrt.