Die Bombe in der Asylbewerberunterkunft im sanktgallischen Bronschhofen war schon fast vergessen. Da ging am letzten Montag eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Zivilschutzanlage in der Waadtländer Gemeinde Chavannes in Flammen auf. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
«In der letzten Zeit nehmen fremdenfeindliche Übergriffe gegen Asylbewerbereinrichtungen merklich zu», muss Hans Knaus, Chef der Abteilung «Abwehr von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus» in der Bundespolizei, feststellen. Dort fühlt man sich bereits an das Jahr 1990 erinnert, als vor dem Hintergrund einer emotional geführten Asyl-debatte die ausländerfeindlichen Anschläge einen traurigen Rekord erreichten. In den folgenden Jahren entspannte sich die Situation und es kam kaum mehr zu Gewalt gegen Asyleinrichtungen und Asylbewerber.
Die Ruhe ist vorbei
Doch die Ruhe hat seit letztem Herbst und dem Anschlag in Bronschhofen ein jähes Ende genommen. «Wir sehen Tendenzen wie 1990» muss Bundespolizist Knaus heute festhalten. Hans Stutz, der als Beobachter der rechtsextremen Szene jedes Jahr eine Chronologie der rassistischen Vorfälle erstellt (siehe unten), kann die Tendenz in Zahlen fassen: Im ersten Halbjahr 1998 registrierte er drei Brandanschläge oder Schüsse auf Asylbewerbereinrichtungen. Seit Ende letzten Jahres musste Stutz bereits acht derartige Vorfälle zählen. Dazu kommen noch mehrere Fälle von tätlichen Angriffen auf ausländische Personen. Und es könnten in Tat und Wahrheit noch mehr sein. Jean-Pierre Eicher vom Dezernat Organisierte Kriminalität/Staatsschutz der Berner Kriminalpolizei: «Wir vermuten, dass Angriffe gegen Personen aus Furcht vor Repressalien oftmals gar nicht angezeigt werden». Die Bundespolizei ist durch die Entwicklung alarmiert und hat bereits die kantonalen Polizeicorps zu erhöhter Wachsamkeit gemahnt.
Brechen die Dämme?
«Die Dämme könnten brechen», befürchtet gar Stutz: «Überall in der Schweiz, vorab in ländlichen und kleinstädtischen Gegenden bestehen informelle rechtsextreme Gruppen, zum Beispiel Skins, die auch gewaltbereit sind.» Die Berner Kantonspolizei kennt Skins in Bern, Biel, Lyss, Büren, Langenthal und im Emmental. Doch nicht nur die gewalttätigen Übergriffe versetzen die Polizei in Unruhe. Man registriert dort verbreitet eine Verschärfung des fremdenfeindlichen Klimas, das sich in vermehrten rassistischen und neonazionalistischen Schmierereien, anonymen Drohungen einerseits und im immer ungenierteren und provokativen Auftreten von rechtsextremistischen Gruppen manifestiert. An der Fasnacht in Büren marschierte zum Beispiel eine Skingruppe mit Kampfhunden auf. Jean-Pierre Eicher: «Wir stellen zunehmende Aktivitäten mit radikaler Tendenz fest und kontrollieren die Skinszene stärker.»
Der Zusammenhang zwischen rechtsextremer Radikalisierung und Asylproblematik ist offensichtlich. Wie jetzt sah sich die Schweiz auch zu Beginn der 90er Jahre mit rekordhohen Asylbewerberzahlen konfrontiert. Die Frage ist nur, wie der Zusammenhang gedeutet werden muss: Provoziert die grosse Zahl von Asylbwerbern und die damit objektiv verbundenen Schwierigkeiten Rassismus und Gewalt. Das wollte auch der Bundesrat glauben machen, als er 1996 in einem Rassismusbericht schrieb, die Ausländerpolitik müsse ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung zum Ziel haben, um das «Zutagetreten von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verhindern zu können».
Von rechts gefüttert
Oder, so die andere These, führt der aggressive auf Abschottung und Stigmatisierung der Asylbwerber ausgerichtete «Überfremdungsdiskurs» zu Gewalt? «Plakative politische Kampagnen verstärken rassistische Tendenzen und fremdenfeindliche Abwehrreaktionen», stellte die eidgenössische Kommission gegen Rassismus kürzlich fest. Hans Stutz ist überzeugt, dass die Exponenten der politischen Rechten das Klima schaffen, in dem Gewalt gegen Ausländer entsteht. Tatsache ist, dass sich die Rechtsextremen in der Schweiz ihr ideologisches Futter auch in der legalen politischen Rechten holen, die den Kampf gegen zu viele Asylbewerber zum Programm erhoben hat: Die Hammerskins, die dominierende Skingruppe, empfehlen in ihren Publikationen die «Schweizerzeit» – die Zeitung von SVP-Rechtsaussen Ulrich Schlüer – zur Lektüre. Und mehrmals sind Skins bei Veranstaltungen mit Christoph Blocher aufgetaucht, einmal hat dort die rechtsextreme «Nationale Initiative Schweiz» ihre Publikationen verteilt.