St. Galler Tagblatt vom 23.11.2012
DIEPOLDSAU. Ein 23jähriger Zürcher, der im September 2011 im Rheintal an einer unbewilligten Demonstration gegen Rechtsextremismus teilgenommen hatte und deswegen verurteilt worden war, wehrt sich vor Kantonsgericht – ganz allein.
Das im doppelten Sinne. Nach der Demonstration, die sich gegen ein Europa-Fest der rechtsextremen «Europäischen Aktion» (EA) gerichtet hatte, erhielten rund 40 Frauen und Männer einen Strafbefehl. Anfänglich wehrten sich 29 Aktivisten gegen den Strafbefehl. Noch ganze drei erschienen vor dem Kreisgericht. Dieses sprach die drei Demonstranten des Hausfriedensbruchs und der Benutzung von Strassen über den Gemeingebrauch hinaus ohne Bewilligung schuldig. Zwei akzeptierten das Urteil.
Tip vom Buschauffeur
Nur der 23jährige Mann legte gegen das Urteil des Kreisgerichts Rheintal Berufung ein. Dieses hatte ihm eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 20 Franken und eine Busse von 200 Franken aufgebrummt sowie die Verfahrenskosten von 1980 Franken. Gestern stand der Mann allein vor Gericht – ohne Anwalt.
Er studiere Recht und Physik an der Universität Zürich, sagt er. Er sei im Internet auf die Demonstration aufmerksam geworden und habe angenommen, diese sei bewilligt. Im Rheintal angekommen, habe ihm ein Buschauffeur gesagt, falls er an die Demonstration wolle, müsse er nun aussteigen. Das habe seine Meinung, die Demonstration sei bewilligt, noch verstärkt. Die Demonstration sei friedlich verlaufen. Auf einmal sei die Polizei über die Rheinbrücke gefahren. Mit Hunden und Gummischrot hätten die Polizisten versucht, die Demonstranten zur Befragung einzukesseln, sagte der Student.
Urteil steht noch aus
Er habe geglaubt, er müsse wie andere Demonstranten über einen Zaun steigen und das Gelände des Rheinunternehmens betreten. Das Unternehmen war es, das Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattete. Dort habe er sich nach Erhalt des Strafbefehls entschuldigt und angeboten, den Schaden zu begleichen. Doch darauf sei das Rheinunternehmen nicht eingegangen. Nach der Befragung stellt der angehende Jurist und Physiker dem Gericht einen Beweisantrag: Der Einsatzleiter der Polizei solle befragt werden, dessen Aussagen könnten ihn allenfalls entlasten.
Das rechtliche Gehör müsse ihm gewährt werden, sagt der 23-Jährige vor Gericht. Er plädiert auf Freispruch. Und die Verfahrenskosten seien dem Staat zu übertragen – «eventualiter» seien diese bei einem Schuldspruch seinen finanziellen Verhältnissen anzupassen. Das Urteil steht noch aus.