Es fehlte wenig zur Eskalation
Nicht ganz gewaltfrei verlief in Burgdorf eine Demo gegen Rechtsextremismus und Gewalt: Nach der Veranstaltung verprügelten Linksaktivisten einen Skinhead. Die grosse Konfrontation blieb aber aus.
An sie richtete Jacchini gleich zu Beginn der Veranstaltung einen eindringlichen Appell: «Wir haben zusammen gesprochen und uns geeinigt, dass keine Gewalt angewendet wird.» Allerdings konnten Zweifel am Bekenntnis zum Gewaltverzicht aufkommen: «Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand», hiess es auf einem Transparent. Was das heisst, bekam der BZ-Fotograf Thomas Peter zu spüren: Als er den Demons-trationszug fotografieren wollte, schlug ihm ein Demonstrant mit einem Plakat auf den Kopf und zerstörte dabei den Blitz. «Mehr verletzt bin ich aber in meinen Überzeugungen», erklärte Peter später. «Ich bin ja schliesslich kein Gegner dieser Leute – und trotzdem schlagen sie mich.»
Dabei wollten am Samstag alle eigentlich vor allem eines: dem Schweigen ein Ende setzen. «Ich finde es schlimm, wenn ich nach dem Ausgang auf eine Horde Neonazis stosse», sagte Beatrice Rubin, Schülerratspräsidentin am Gymnasium Burgdorf, in ihrer Ansprache. «Solange wir schweigen, breitet sich der Rechtsextremismus immer mehr aus. Habt den Mut, heute und hier ein Zeichen zu setzen.»
Der Demonstrationszug, in dem auch Familien und Burgdorfer Parlamentarierinnen und Parlamentarier jeglicher politischer Couler marschierten, führte von der Bahnhofstrasse über den Ententeich in die Oberstadt und endete bei der Gebrüder-Schnell-Terrasse.
Dort wurde es brenzlig: Antifa-Aktivisten sichteten kahl rasierte Jugendliche und rannten mit dem Ruf «Nazi-Schweine» auf sie zu. Jacchini war sofort zur Stelle, um zur Vernunft zu rufen. Doch schon wenig später schien die Situation erneut zu eskalieren. Nach der Ansprache von Gemeinderat Willy Michel und noch während der Rede von Pfarrerin Susanne Gehrig stürmten einige Demonstrierende in Richtung Musikschule, wo sich rund 20 Polizisten in Uniform posiert hatten. «Nieder mit der Polizeigewalt», skandierten einige Demonstranten angesichts der Polizisten. Diese liessen sich nicht provozieren, und Jacchini gelang es schliesslich, die Veranstaltung wieder in den Griff zu bekommen. Mit einem nochmaligen Appell an die Gewaltlosigkeit und dem Dank an alle Teilnehmer schloss sie gegen 18 Uhr die Manifestation ab.
Aufatmen konnte sie allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht: Die von auswärts angereisten Antifa-Aktivisten zogen nach der Manifestation zurück an den Bahnhof. Dort beobachteten sie, wie ein – nach Kleidung und Auftreten als Skinhead zu identifizierender – junger Mann seine Begleiterin schlug. Daraufhin verfolgten drei bis vier Antifas den Mann und verprügelten ihn, bis er am Boden lag. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Veranstaltung leicht eskalieren können. Ein Sicherheitsbeamter (in Zivil) und mehrere Demonstranten konnten dies jedoch mit beherztem Eingreifen und viel Überredungskunst verhindern. Auch der Rest des Abends verlief ohne Zwischenfälle. Nach Auskunft von Elisabeth Jacchini zog sich der verprügelte Skinhead keine schlimmen Verletzungen zu. Glimpflicher Ausgang
«Ich bin überglücklich, dass es doch noch so glimpflich abgelaufen ist. Ein paar Mal dachte ich wirklich, dass es eskaliert», sagte Elisabeth Jacchini, als sie gegen 19 Uhr abends zur Burgdorfer Polizeiwache ging, um dort Bericht zu erstatten. Die Auseinandersetzung am Bahnhof schien der Polizei übrigens nicht nennenswert. Im Polizeicommuniqué heisst es, dass der Anlass «ohne nennenswerte Zwischenfälle» zu Ende ging.