Das Netz der Holocaust-Leugner

Die Holocaust-Leugner und ihre Freunde waren alle da, als das Bezirksgericht Baden am Dienstag das Urteil gegen Jürgen Graf und Gerhard Förster verkündete.

Autor: Von Peter Hug, Baden

Jürgen Graf wusste es längst. Die Justiz werde ihn und seinen Verleger verurteilen, sagte er in seinem 1997 veröffentlichten „Rotbuch“ voraus. So fand er nach der Urteilsverkündung denn auch schnell wieder die Fassung. Jetzt sei eine grosse TV-Debatte darüber fällig, ob der Holocaust tatsächlich stattgefunden habe, diktierte er den wartenden Journalisten und Fernsehteams ins Mikrophon.

Trost fand Graf bei seinen Gesinnungsgenossen. Der frühere Bundeshausjournalist Ahmed Huber meinte, dass das Bezirksgericht wie ein israelisches Militärgericht argumentiert habe. Im übrigen, so verriet Huber seinem Freund, sei der Prozess von den iranischen Regierungsbehörden mit grösster Aufmerksamkeit verfolgt worden. Mit entsprechenden Berichten sei zu rechnen.

Einschüchterungskampagne

In ihrer kurzen Urteilsbegründung hielt Gerichtspräsidentin Andrea Staubli fest, dass das fünfköpfige Gericht – drei Frauen und zwei Männer – das Verdikt einstimmig gefällt habe: 15 Monate Gefängnis unbedingt für den Buchautor Graf und 12 Monate unbedingt für den Verleger Förster. Als bedenklich bezeichnete Staubli die massive Einschüchterungskampagne, mit der die Sympathisanten der Holocaust-Leugner versucht hätten, auf das Urteil Einfluss zu nehmen.

Beiden Verurteilten attestierte sie eine „beachtenswerte kriminelle Energie“. Sie seien sich der herabsetzenden Wirkung ihrer Schriften sehr wohl bewusst gewesen. Und weil sie sich absolut uneinsichtig gezeigt hätten, komme ein bedingter Strafaufschub nicht in Frage.

Von einer wissenschaftlichen Arbeit könne keine Rede sein, hielt die Richterin weiter fest. Tatsächlich wird bei der Lektüre der Pamphlete Grafs deutlich, wie zynisch und menschenverachtend seine „Beweisführung“ ist. Im Buch „Der Holocaust-Schwindel – vom Werden und Vergehen des Jahrhundertbetruges“ schrieb Graf wörtlich: „Eigentlich gibt es einen viel schlagenderen Beweis dafür, dass der Holocaust nicht stattgefunden hat: Nach dem Krieg waren die Juden immer noch da . . .“

Dabei gilt der 47jährige Basler als überdurchschnittlich intelligent und als Sprachgenie. 1978 schloss er das Studium der Skandinavistik, Anglistik und Romanistik mit dem Lizentiat ab und arbeitete anschliessend als freier Übersetzer und Lehrer. Ein erstes Mal Aufsehen erregte Graf, als er nach einem Aufenthalt in Taiwan als Universitätslektor für deutsche Sprache in die Schweiz zurückkam. Nachdem er sechs Monate auf dem als Asyl-Empfangsstelle dienenden Rheinschiff „Basilea“ gearbeitet hatte, veröffentlichte er unter dem Titel „Das Narrenschiff“ ein Buch über seine Erlebnisse.

Seine Kritik an der Asylpolitik wurde von der Rechten dankbar aufgenommen. Gemessen an den heute in der Asyldebatte gängigen Tönen erscheint Grafs damalige Argumentation schon fast gemässigt und differenziert. So distanzierte er sich ausdrücklich von der Forderung des Schweizer Demokraten Markus Ruf, alle aussereuropäischen Gesuchsteller als asylunwürdig abzulehnen: „Türken, Braunen, Gelben oder Schwarzen tut es genau gleich weh wie Europäern, wenn man ihnen die Knochen bricht.“

Grafs Äusserungen zur Asylpolitik veranlassten einen der Schweizer Holocaust-Leugner, mit Graf Kontakt aufzunehmen. Arthur Vogt war es, der dem Basler Tips für seine Bücher über Auschwitz gab. (Vogt selber ist vom Bezirksgericht Meilen wegen Holocaust-Leugnung zu einer Busse von 20 000 Franken verurteilt worden.) Im Dezember 1992 veröffentlichte Graf dann im Eigenverlag sein erstes einschlägiges Buch: „Der Holocaust auf dem Prüfstand“. Das kostete ihn seine Stelle an der Sekundarschule in Therwil, wo er Latein und Französisch unterrichtete. Inzwischen hat Graf Arbeit als Lehrer an einer Privatschule gefunden.

Im Sommer 1994 schlossen sich die Holocaust-Leugner Graf, Vogt, Andres J. W. Studer und Bernhard Schaub zur Arbeitsgemeinschaft zur Enttabuierung der Zeitgeschichte (AEZ) zusammen, die auch die Zeitschrift „Aurora“ herausgab. Für Studer hat die Bezirksanwaltschaft Zürich inzwischen eine Strafe von acht Monaten Gefängnis unbedingt beantragt.

Zur Nummer 1 aufgestiegen

Nicht nur in der Schweiz ist Graf mit seinen Pamphleten und pseudowissenschaftlichen Werken inzwischen zur Nummer 1 der Holocaust-Leugner aufgestiegen. Er tritt auch an den internationalen Kongressen der Revisionisten als Kapazität auf, arbeitet eng mit dem Kopf der französischen Holocaust-Leugner, Robert Faurisson, zusammen. Auch mit seinem italienischen Kollegen Carlo Mattogno hat er, wie er vor Gericht in Baden stolz vermeldete, in den historischen Archiven in Moskau nach neuem Material gesucht.

Heute werden Grafs Schriften von Schweden, den USA oder Kanada aus über das Internet verbreitet. Weil Graf den dortigen Aktivisten Disketten seiner Werke zustellte, hat er sich zusätzlich strafbar gemacht. Die Tathandlung lag für das Bezirksgericht klar in der Schweiz.

Der Mittäter und seine Brille

Anders als Graf versuchte der 78jährige Gerhard Förster im Prozess alles, um seine Rolle bei der Verbreitung der judenfeindlichen Bücher herunterzuspielen. Der Elektroingenieur war 1967 in die Schweiz gekommen und hatte sich 1981 in Würenlingen einbürgern lassen. Als Zahlenmensch habe er sich über die unterschiedlich hohen Angaben über die Opfer des Holocaust gewundert, gab er vor Gericht als Motiv an. Aufgrund derart unzuverlässiger Aussagen dürfe nicht ein ganzes Volk kriminalisiert werden, klagte der frühere Wehrmachtsoffizier.

Auch sei er nur Geschäftsführer des Verlags und habe selber – abgesehen von seiner Brille – nie etwas verlegt. Das sei eine reine Schutzbehauptung, meinte dazu die Gerichtspräsidentin. Schliesslich habe Förster in der Untersuchung zugegeben, Graf und die anderen Autoren beauftragt zu haben, die Bücher zu verfassen. Förster sei zudem nicht nur Geschäftsführer des Verlags Neue Visionen GmbH, sondern auch einziger Gesellschafter mit Zeichnungsberechtigung. Deshalb werde er als Mittäter bestraft.

BILDER ANDRE ALBRECHT/REUTERS

Den Verleger Förster verurteilte das Gericht zu 12 Monaten Gefängnis.