Aargauer Zeitung: Bad Zurzach · Ein Aussteiger aus der rechtsextremen Szene stand wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand vor Gericht. 2012 war er im Zürcher Niederdorf niedergeschossen worden.
In der Nacht zum 6. Mai 2012 hatte der damals 24-jährige Neonazi Sebastian N. im Zürcher Niederdorf den zwei Jahre älteren Aargauer Z. niedergeschossen. Nach einer verbalen Auseinandersetzung hatte N. eine Pistole gezückt, sie dem Opfer auf die Brust gesetzt und abgedrückt. Z. überlebte. Der Solothurner N. war einen Tag nach der Bluttat in Hamburg festgenommen worden. Am 5. März muss N. sich wegen versuchter vorsätzlicher Tötung vor Bezirksgericht Zürich verantworten.
Tabletten gegen Angstzustände
Dort wird Z. als Zivilkläger auftreten. Dieser Tage aber war er selbst Angeklagter in Bad Zurzach. Auch er war einst kahl geschoren; nun trägt er die Haare kurz geschnitten. Darunter schimmern Tätowierungen, die auch seinen Hals, Nacken, die Handrücken flächendeckend und mehrfarbig zieren. Auffallende Piercings an den Ohren und im Gesicht runden das Bild vom Rechtsextremen ab. Doch der 28-Jährige hat diese Gesinnung abgelegt, dem Neonazitum abgeschworen. «Ich habe damit gebrochen – 100 Prozent», beteuert er. Der Ausstieg aus der Szene hatte ihn beinahe das Leben gekostet, denn ungestraft kehrt kein Mitglied der «BloodandHonour»-Brüderschaft den Rücken.
Z. hat aber noch ein anderes Problem – den Alkohol. Anfang Juli letzten Jahres war er nach 4 Uhr morgens auf dem Achenberg ob Zurzach mit mindestens 1,66Promille am Steuer erwischt worden. Auch Spuren von Medikamenten waren in seinem Blut: «Seit dem Vorfall im Niederdorf bin ich in psychiatrischer Behandlung und muss Tabletten gegen Angstzustände nehmen.» Seit jener Julinacht ist Z. den Fahrausweis auf unbestimmte Zeit los und das schon zum zweiten Mal. «Ich hatte dann einen psychologischen Test gemacht und den Ausweis wieder bekommen.»
Z. ist wegen diverser Strassenverkehrsdelikte, darunter auch mehrfach wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (Fiaz), vorbestraft. Für eine bedingte Geldstrafe von 23400 Franken läuft noch die Probezeit. Diese, so sein Verteidiger, sei nicht zu widerrufen, denn «verschiedene Umstände sprechen dafür, das Z. sich bessert.»
Im letzten August hat Z. geheiratet, im November ist er Vater eines Buben geworden. Er hat klare Zukunftspläne: «Zwei bis drei Kinder, ein Eigenheim und den Fahrausweis wieder.» Seit drei Jahren hat er einen guten Job auf dem Bau, verdient brutto 6000 Franken. Wegen seines Alkoholproblems unterzieht er sich freiwillig einer Antabus-Kur.
«Keinen solchen Seich mehr»
Wegen qualifizierten Fiaz’ forderte der Staatsanwalt eine unbedingte Geldstrafe von 12000 Franken. Der Verteidiger, dem klar war, dass «ein Bedingter» bei seinem Mandanten nicht mehr drinliegt, plädierte auf 6300 Franken Geldstrafe. Einzelrichter Cyrill Kramer verurteilte Z. zur unbedingten Geldstrafe von 10800 Franken: «Der Widerruf der bedingten Strafe stand auf der Kippe. Doch weil der nun aktuell zu bezahlende Betrag einschenkt, wird die Probezeit für die 23400 Franken – damals war es wenigstens nicht um Fiaz gegangen – um zwei auf maximal mögliche sechs Jahre verlängert.»
Er wolle, sagte Z. «in Zukunft keinen solchen Seich mehr machen». Wenn doch, dürften Eigenheim und Fahrausweis in astronomische Ferne entschwinden.