Die Wochenzeitung. Nach Jahren vergeblicher Vorstösse will die Rechtskommission des Nationalrats Nazisymbole nun doch verbieten – am liebsten mit einem Spezialgesetz.
Das öffentliche Zurschaustellen von rassistischen Symbolen und Gesten ist in der Schweiz nicht strafbar. Sogar Hakenkreuz und Hitlergruss können ungestraft in der Öffentlichkeit gezeigt werden. Bekräftigt wird diese Praxis durch ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2014: Darin ging es um einen Neonazi, der im August 2008 an einer Veranstaltung der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) auf dem Rütli vor den Augen von Spaziergängerinnen und Polizisten einen Hitlergruss gezeigt hatte. Der Mann, so das oberste Gericht des Landes, habe damit «nur seine Gesinnung kundgetan» (siehe WOZ Nr. 23/14).
Die Verbreitung rassistischer und antisemitischer Symbole ist demnach nur strafbar, wenn damit aktiv für eine entsprechende Ideologie geworben wird. Die Nutzung unter Gleichgesinnten dagegen, selbst in der Öffentlichkeit und unter Berücksichtigung einer erhöhten medialen Aufmerksamkeit, ist nicht strafbar – eine Gesetzeslücke, die Neonazis immer wieder gezielt ausnutzen.
Sämtliche Versuche, ein Verbot von Zeichen wie dem Hakenkreuz im öffentlichen Raum zu erwirken, sind bislang gescheitert. Zuletzt wies der Bundesrat eine entsprechende Motion der Mitte-Politikerin Marianne Binder ab, unter anderem mit der Begründung, dass die «öffentliche Sympathiebekundung für eine diskriminierende Ideologie» noch keine Propaganda sei und die gesellschaftliche Mehrheit auch «stossende Ansichten» aushalten müsse.
Auch zog die Regierung ein Argument herbei, mit dem sie schon früher ähnliche Vorstösse zur Ablehnung empfohlen hatte: Prävention sei wichtiger als strafrechtliche Repression (siehe WOZ Nr. 8/22) – als ob den Befürworter:innen eines Verbots rassistischer Propaganda nicht auch klar wäre, dass sich mit Strafrecht allein keine gesellschaftspolitischen Probleme lösen lassen. Noch zynischer hallt heute – nachdem nationalsozialistische Symbole, insbesondere antisemitische Provokationen, wieder zugenommen haben – die Behauptung des damaligen Bundesrats nach, die Motion entspreche «keinem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis».
«Absolut unverständlich»
Nun aber hat ein neuer Anlauf für ein Verbot solcher Symbole eine erste Hürde genommen: Letzte Woche hat die Rechtskommission des Nationalrats mit zwölf zu elf Stimmen einer vom Zürcher SP-Nationalrat Angelo Barrile eingereichten parlamentarischen Initiative stattgegeben. Anders als seine Parteikollegin Gabriela Suter, die in ihrem Vorstoss dafür plädierte, das Verbot in die Antirassismusstrafnorm aufzunehmen, lässt Barrile aber offen, ob die Umsetzung des Verbots von «der Allgemeinheit gut bekannten Symbolen wie etwa dem Hakenkreuz» in der Strafnorm oder in einem Spezialgesetz erfolgen soll.
Die Kommission hat allerdings auch einen eigenen Vorschlag ins Prozedere geschickt, der bewusst auf ein Spezialgesetz zielt und noch ausschliesslicher auf Nazisymbole fokussiert – und mit ebenfalls zwölf zu elf Stimmen angenommen wurde. Er bezieht sich unter anderem auf den Mitte Dezember veröffentlichten Bericht des Bundesamts für Justiz, den die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter in Auftrag gegeben hatte. Auch dieser kommt zum Schluss, dass ein Spezialgesetz am ehesten umsetzbar wäre.
Das Thema Rassismus beschäftigt Barrile schon lange. «Dass Symbole wie das Hakenkreuz, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion zielen, straflos in aller Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen, ist mir absolut unverständlich.»
Schon vor vier Jahren hatte der Zürcher Hausarzt in einer Motion gefordert, rassistische Symbole zu verbieten. Auch diese Motion empfahl der Bundesrat zur Ablehnung – worauf sie im Nationalrat nicht einmal debattiert wurde. Für seinen neuen Anlauf wählte Barrile die parlamentarische Initiative, weil diese direkt in die zuständige Kommission geht und zwingend im Rat debattiert werden muss. «Mit der Konzentration auf allgemein bekannte Symbole wie das Hakenkreuz erhoffte ich mir eine grössere Mehrheitsfähigkeit. Trotzdem habe ich eine offenere Formulierung gewählt, die ein umfassenderes Verbot ermöglicht.»
Schneller und nachvollziehbarer
«Wir begrüssen diesen pragmatischen Vorschlag der Rechtskommission sehr, unterstützen aber auch die Initiative von Barrile», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds. Angesichts dessen, dass bisherige Versuche daran scheiterten, dass keine Einigung über eine Liste solcher Symbole erzielt werden konnte, geht auch er davon aus, dass eine Fokussierung auf Nazisymbole schneller und nachvollziehbarer zu einer rechtlichen Lösung führen könnte.
Eine künftige Erweiterung, so Kreutner, sei damit ja nicht ausgeschlossen. Wobei es um weit mehr als um «reine Symbolpolitik» gehe, wie von verschiedenen Seiten zuweilen behauptet werde: «Der Handlungsbedarf hat sich mit den vielfachen Vorfällen in diesem Graubereich, nicht zuletzt auch rund um die Coronademonstrationen, noch einmal verschärft. Dass so etwas in der Öffentlichkeit Raum hat, ist unhaltbar.» Es gehe nun darum, einen Anfang zu machen und ein klares Zeichen zu setzen.